Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
Amy rieb sich das Knie.
Hinkend trottete Wolf auf sie zu. »Das Aufsetzen war alles andere als angenehm. Für derartige Manöver taugen meine alten Knochen nicht mehr.«
Ein Blick auf Wolfs graues Zottelfell sagte Josie, dass ihn die Rückkehr von der unangenehmen Tintenfischtarnung befreit hatte. Und auch sie steckte, wie sie nun feststellte, wieder in ihren Alltagssachen. Bei dem Gedanken, wie wenig Bestand Textilien aus der Anderwelt in der Welt der Dinge hatten, atmete sie auf. Das hätte noch gefehlt, dass sie in Unterwäsche ihr Abenteuer beendeten. Ahnungsvoll tastete sie ihren Daumen ab, doch der Fingerhut war weg.
Edna flocht ihren Zopf, den der Wind während der wirbelnden Fahrt in Unordnung gebracht hatte, und Amy klopfte den Staub von ihrem Rock. »Keine schwarzen Klamotten mehr, für mindestens ein Jahr«, sagte sie. »Das Erste, was ich mache, ist duschen und was anderes anziehen.«
Die Dämmerung war vorangeschritten, überall zwitscherten schon die Vögel. Josie blinzelte zum Horizont, wo sich mit einem purpurroten Streifen der neue Tag ankündigte. Oh, wie sie sich auf die Sonne freute!
»Josie, hörst du das?« Amy wies lauschend zum Haus.
Josie spitzte die Ohren. Aus dem Morgengesang der Gartenvögel klang eine Melodie. Purpurfarben schwebte sie aus den Kletterrosen.
»Druid Dubh!«, riefen die Mädchen wie aus einem Munde.
»Das Empfangskomitee aus Narranda! – Das ist doch das Mindeste, was man erwarten kann.« Gut gelaunt schlenderte Arthur auf den kleinen Vogelmann zu, der zwischen zwei Rosenblüten auf einem Zweig saß und ihnen wohlwollend zunickte. Als alle näher gekommen waren, erhob sich Druid Dubh zu einer kleinen Rede, wobei er besonders Josie und Arthur ansprach.
»So seid Ihr siegreich heimgekehrt, die Herzen voll und unversehrt. Vernichtet habt Ihr Orcarracht und stark geschwächt des Bösen Macht. Auch ist zu danken Eurem Mut, dass seine eigne Drachenbrut er selbst verschlang in blinder Wut. Mit Freude kam es uns zu Ohren, dass Dykeron das Fell geschoren. Sein Volk ist frei und strebt nach Licht. Und niemand ist nunmehr erpicht, dem gold’nen hellen Reich zu schaden mit tödlich dunklen Nebelschwaden.« Der Bote Narrandas machte eine bedeutsame Pause und hob die Hand zu einer Geste, die erkennen ließ, dass er nun etwas besonders Wichtiges zu verkünden hatte. Mit großem Ernst blickte er in die Runde, als er begann: »So lässt die Königin Euch sagen: Frei sollt Ihr sein vom bösen Fluch! Nicht länger müsst das Los Ihr tragen. Ihr habt getilgt den Lug und Trug, den Menschenwahn verbrochen. So sei es denn, wie abgemacht, beschieden und versprochen. Der Hund mag seinen Frieden finden. – Die Töchter mögen sich verbinden und folgen ihrer Herzen Drang in Liebesglück ein Leben lang.«
Josie suchte Wolfs Blick, aber die Bernsteinaugen des großen Hundes starrten ins Leere und auch zu seinen Gedanken drang sie nicht vor. Trotz der großen Erleichterung, die Druid Dubhs Worte mit sich brachten, lastete bleischwer eine schlimme Ahnung auf ihr.
Nachdem er die Botschaft Órlaiths bekannt gegeben hatte, breitete der Vogelmann seinen Mantel aus, wie er es immer tat, wenn er wegfliegen wollte.
»Warte!«, rief Arthur erregt. »Da ist noch etwas! Was soll jetzt aus meinem Bruder werden?«
Druid Dubh ließ die Arme sinken. Seine gelösten Züge spannten sich an. »Dies ist ein misslich dummer Fall!«, erwiderte er unwillig. »Des Vaters Tun die Zwerge straften, so muss der Sohn nun dafür haften.«
Arthur starrte deprimiert auf seine Schuhspitzen. Josie gab es einen Stich. Sie hatte überhaupt nicht mehr an Brian gedacht. Wie gedankenlos! Arthur hatte alles daran gesetzt, Amy zu retten, und sie? Nicht ein einziges Mal hatte sie ihn nach seinen Sorgen gefragt. Ihre Lippen bebten. »Druid Dubh«, setzte sie an. »Arthur hat für Narranda sein Leben aufs Spiel gesetzt. Hat er damit nicht die Begnadigung für seinen Bruder verdient?«
Josies Einwand schien Druid Dubh Kopfzerbrechen zu bereiten, denn er antwortete ungewohnt zögernd. »Wohlan … Wohlan, ich muss zurück nun gehen, doch will ich, was man tun kann, sehen. Es ist der Königin Entscheid, zu schenken ihm Barmherzigkeit.« Daraufhin verneigte er sich erneut. »Nun ist es Zeit, Adieu zu sagen. Und Dank für Eure große Tat.« Sein Blick richtete sich auf die beiden Mädchen. »Mögt Ihr das Erbe weitertragen! Möget Ihr streu’n der Feen Saat! Auf dass die Wundersagen leben, die uns Geistern Atem geben. Bedenkt
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