Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
sich. Auf dem Boden lagen ihre Klamotten, so, wie sie sie beim Ausziehen hatte fallen lassen. Sie warf einen bedauernden Blick zum Panel. Rosalinde war anscheinend nicht hier gewesen. Warum hatte sie auch ihren Mund nicht gehalten! Enttäuscht warf sie die Beine über die Bettkante, um aufzustehen, und erstarrte. Hektisch tasteten ihre Augen über Nachttisch und Bettvorleger. Dann hob sie auch ihre Bücher an, und ließ sie enttäuscht wieder sinken.
»Verdammt, meine Drachenfibel ist weg«, sagte sie tonlos. »Und das Zauberfläschchen auch.«
Amy sprang aus dem Bett, riss den Vorhang auf und durchwühlte ihre Samttasche, dann hob sie erschrocken den Kopf. »Meine auch!«
Josie nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet. »Es ist vorbei.«
Amy setzte sich neben sie. »Ja, es ist vorbei. Und weißt du was? Ich bin heilfroh.«
Vom Fensterbrett flog ein schwarzer Schatten hoch, undeutlich hinter den weißen Stores, und doch wussten sie, wem er gehörte. Amy begann spontan, eine kleine Melodie zu summen. Purpurfarben schwebte sie durch den Raum. »Nie werden wir dieses Lied vergessen«, murmelte Josie und stimmte leise ein.
»Nie«, sagte Amy. »Nie im Leben. Aber eines ist blöd …«
Josie blickte sie fragend an.
»Narranda«, murmelte Amy. »Zu gern hätte ich Narranda gesehen. So wie du. Leider hab ich ja nur die finstere Seite der Anderwelt kennengelernt.«
»Womöglich lag es an Ednas Story. Wer weiß, vielleicht kommst du ja eines Tages doch noch hin.« Josie lächelte tröstend.
Amy gab sich einen Ruck und sprang auf. »Aber jetzt seh ich mir erst mal Irland an!« Sie fischte eine helle Sommerhose aus ihrer Reisetasche und schlüpfte hinein. »Willkommen in der Welt der Dinge!«, sagte sie zu ihrem Spiegelbild, als sie kurz darauf eine weiße Bluse zuknöpfte. »Offen gestanden zieht es mich momentan nicht die Bohne auf die andere Seite. Ich sehne mich regelrecht nach der schnöden Realität – sogar nach dem stinklangweiligen Trott mit Schule, Hausaufgaben, Hundeausführen und so …«
Josie verstand genau, was sie meinte.
Als sie in die Bibliothek kamen, saßen die Erwachsenen schweigend in der Sitzgruppe. Es lag etwas in der Luft. Etwas, das Josie die Kehle abschnürte. Unwillkürlich blickte sie zu dem Platz, an dem für gewöhnlich Wolf lag.
»Wo ist …?« Sie hielt inne, als sie die umschleierten Augen des Professors bemerkte. »Ist er …?«
Moma nickte stumm. Josie warf sich ins Sofa und weinte laut auf. Amy kam ihr nach und nahm sie in die Arme. »Er hat es sich so sehr gewünscht«, sagte sie belegt. »Er ist jetzt da, wo es ihn immer hingezogen hat.«
»Er, er – wird mir so schrecklich fehlen!«, schluchzte Josie. »Er war ein wundervoller Freund.«
»Das war er wirklich«, erwiderte Aaron O’Reardon mit brüchiger Stimme. »Doch dies ist Teil seiner Geschichte. Wir müssen es hinnehmen.«
»Amy hat recht«, sagte Moma. »Wolf hat seine Erfüllung gefunden. Wir sollten nicht traurig sein, sondern uns für ihn freuen. Und in unseren Herzen wird er ohnehin immer lebendig bleiben.«
Josie fummelte ein Taschentuch aus der Hosentasche und putzte sich die Nase. »Habt ihr ihn schon …«
Der Professor schüttelte unglücklich den Kopf. »Nein, ich habe ihn in seinen Korb gebettet, er sah so friedlich – ja, selig aus. Gleich morgen früh suchen wir einen schönen Platz für ihn im Garten.« Er wischte sich über die Augen. »In seinem Garten, in Conall O’Reardons Garten in Springwood Manor.«
Um ihre Lieben auf andere Gedanken zu bringen, klopfte Moma auf ein Fotoalbum, das sie mit nach Irland gebracht hatte. »Es gibt noch so viel zu erzählen. Was haltet ihr davon, wenn wir uns Bilder aus Deutschland ansehen? Edna und Amy wissen doch gar nicht, wie wir leben.«
»Darf ich auch einen Blick reinwerfen?«, erkundigte sich der Professor. »Mich interessiert das mindestens ebenso brennend.«
Da es auf der Couch eng wurde, setzte sich Josie an den Schreibtisch und schrieb eine E-Mail an ihren Vater, in dem sie ihm endlich mitteilen konnte, dass Amy und ihre Großmutter nun in Springwood Manor aufgetaucht waren und er sich keine Sorgen mehr zu machen brauchte. Wo die beiden gewesen waren, ließ sie offen. Da sie noch keinen Plan hatte, was sie Taddy erzählen und was sie ihm lieber verschweigen wollte, nahm sie so in Kauf, dass nach wie vor Fragen im Raum standen. Dafür erzählte sie ausführlich von der herzlichen Begegnung Momas mit ihrer Schwester und schrieb sich
Weitere Kostenlose Bücher