Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
war tot. Wie lange sie so stand, hätte sie später nicht mehr sagen können. Ein Gedanke, schmerzlich wie ein Dolchstoß brachte sie jäh zur Besinnung.
Amy! Sie musste sie finden!
Die dunkelste Schwärze war mit dem abziehenden Gewitter gewichen, grau-trübe Dämmerung hüllte alles ein. Josie versuchte, sich zu orientieren. Jetzt erst bemerkte sie, dass auch das Taxi verschwunden war, gerade so, als hätte es sich in Nichts aufgelöst. Zu ihrer Überraschung fand sie im nassen Gras Amys Reisetasche, daneben ihren eigenen Koffer. Was sollte sie jetzt bloß tun? Verzweifelt tappte sie in Richtung des Steinhaufens. Ihre Füße versanken im aufgeweichten Boden. Schlamm schmatzte unter ihren Sohlen.
»Amy!« Wieder und wieder rief sie Amys Namen, obwohl sie genau wusste, dass es sinnlos war. »Amiiiie!« Ihre Stimme verklang mit dem in der Ferne rollenden Donner.
Nachdem sie den Steinberg umrundet hatte, gab sie entmutigt auf. Sie konnte hier nichts mehr für Amy tun. Alle Dämme brachen, sie heulte laut los, verzweifelt und wütend. Ihre Tränen mischten sich in den Regen, der sich über den grausigen Ort ergoss, als wolle er all das, was eben hier passiert war, wegwaschen.
Josie wischte sich übers Gesicht und warf die klatschnassen Haare zurück. Sie wuchtete Amys Reisetasche hoch und zog den Teleskopgriff ihres Rollenkoffers heraus. Dann ging sie einfach los, ohne ausmachen zu können, wohin der Weg sie führte. In ihren Schuhen stand Wasser, die Hosenbeine schlackerten feucht um ihre Knöchel. Die unförmige Reisetasche schwang bei jedem Schritt bleischwer um ihren Oberkörper. Verdammt! Warum hatte sie aber auch ihr Handy nicht mit? Mit zusammengebissenen Zähnen zerrte sie an dem Koffer, dessen kleine Rollen auf dem weichen Untergrund ihren Dienst versagten. Wütend packte sie ihn am Bügel und stapfte weiter. Mit jedem Meter wurden ihr die Arme schwerer. Was für eine idiotische Idee war es nur gewesen, so dicke Bücher einzupacken! Für einen Moment überlegte sie, ob sie nicht wenigstens diesen Ballast abwerfen sollte. Aber schon der Gedanke bereitete ihr dermaßen Widerwillen, dass sie ihn sofort wieder aufgab. Von Minute zu Minute näherte sich die Dämmerung der Nacht. Dunkelheit und Nässe hüllten sie ein. Dann stolperte sie. Fluchend lag sie halb auf Amys Tasche, halb im Morast. Sie jaulte laut auf, als sie sich erbost wieder hochstemmte. Verdammt, warum hatte sie sich auf dieses ganze verrückte Abenteuer überhaupt eingelassen? Noch während sie damit haderte, ging ihr auf, dass sie gar keine Wahl gehabt hatte. Auf eine Weise, die sie nicht verstand, hatte man sie ausgewählt. Und warum ausgerechnet sie? Aber das hatte ihr der geflügelte Bote wohl aus gutem Grund vorenthalten. Wo waren sie denn jetzt – die Feen? Mutlos fuhren ihre Finger über das kalte Metall der Drachenfibel. Sie fühlte sich so leer! So erschöpft! So ausgelaugt! So verlassen! Ihre Bitterkeit schlug in Wut um.
»Wollt ihr mir nicht helfen?« Ihr verzweifelter Schrei hallte durch die Dunkelheit. Er war noch kaum verklungen, als sich eine Melodie in das Rauschen des Regens mischte. Flügelschlagen folgte.
»Druid Dubh?« Josie blinzelte in den schwarzen Regen.
»Die Fibel dient als Instrument für Euer magisches Talent, das tief in Eurem Herzen wohnt und Euch soeben hat verschont vor der wilden Horden Jagd. – Da Ihr’s nicht wisst, sei’s Euch gesagt: Dies raubte Euch viel Energie, erneuern muss sich die Magie.«
Josie kniff die Augen zusammen, um schärfer sehen zu können. Im Restlicht der Dämmerung sah sie ihn auf dem Koffer sitzen, den kleinen Vogelmann mit dem schimmernden Federmantel.
»Wo ist Amy? Was ist nur passiert?«, stieß sie aus.
»Sie haben diesen Teil gewonnen, Dykerons üble Höllenmeute! Sie trug die Fibel nicht besonnen, drum wurde sie zu leichter Beute. So konnt’ der dunkle Plan gelingen, doch noch die Jungfrau zu erringen, für das scheußlich bitt’re Los. – Des Bösen Macht ist leider groß.«
Josie entnahm den Andeutungen Druid Dubhs, dass es etwas gab, das er ihr vorenthielt. Etwas Bedrohliches, etwas Schlimmes. Ihr Herz schlug scharf und schmerzhaft. »Welches Los? Was wird jetzt mit ihr!« Josie schrie es in die Nacht. »Warum rettet ihr sie nicht?«
Aber der kleine Vogelmann schwieg.
»So antworte doch!«
Endlich rang er sich zu einer Erwiderung durch und seufzte. »Es liegt nicht in der Feen Hand. Denn alles an der Träume Rand wird durch das menschlich’ Herz gebannt. Ihr
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