Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
nicht«, flüsterte sie Josie zu. »Die Sache stinkt – buchstäblich.«
»Ob das Taxi uns direkt in die Anderwelt bringen soll?« Josies Augen, die sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, lagen bang auf dem schwarzen Schattenriss des obskuren Fahrers. Sie kämpfte mit Brechreiz.
»Das glaub ich nicht.« Amy versuchte das Seitenfenster zu öffnen, aber der Drehmechanismus klemmte. Sie beugte sich über Josie und versuchte es an dem anderen Fenster. Dasselbe. »Shit!« Enttäuscht zog sie sich auf ihren Sitz zurück.
Josie konnte nicht mehr klar denken. »Ich sterbe. Wenn der nicht sofort anhält, kann ich für nichts garantieren.«
Sie verdrehte die Augen. Ihr war inzwischen alles egal. Das Gewitter, der unheimliche Fahrer, sie wollte nur eines: raus!
Unerwartet bremste der Wagen und blieb stehen.
»Gott sei Dank!« Mit einem erleichterten Stöhnen öffnete Josie die Wagentür. Regen empfing sie. Es blitzte in rascher Folge. Donner grollte. Sie hob das Gesicht zum Himmel und sog gierig frische Luft in ihre Lungen. Sauerstoff! Ahh!
Im Licht der aufzuckenden Strahlen erkannte sie die Umgebung nur schemenhaft. Soviel sie sehen konnte – weit und breit kein Haus. Bäume, Büsche, Wiesengrund, direkt vor ihnen, ein eigenartiger Steinhaufen aus mannshohen Felsbrocken. Ein Blitz, der wie ein feuriger Drache über den Himmel raste, erinnerte sie daran, dass es sicher nicht besonders klug war, bei einem Gewitter neben einer Metallkarosse zu stehen. Sie wollte Amy, die ebenfalls ausgestiegen war, und auf der anderen Seite des Wagens besorgt in ihre Richtung blickte, gerade warnen, als ein Tosen und Surren ihre Aufmerksamkeit nach oben riss.
Aus den dunklen Wolkenmassen quollen in rasender Schnelle gespenstische Schatten. Das Tosen und Surren formte sich zu Hundegebell und Pferdegetrappel. Dazwischen Schreie, Klingenschlagen und frenetisches Kreischen. Josies Stirnader schwoll, als wolle sie jeden Moment bersten. Dann waren sie direkt über ihnen. Tausende. Ganze Heerscharen von furchterregenden Gestalten auf sechsbeinigen, rabenschwarzen Rössern mit blau glühenden Augen, deren Hufschläge wie Donnerschläge hallten. Die Reiter, nicht weniger schrecklich. Dunkle schemenhafte Kreaturen in schwarzen Rüstungen, von denen Josie nur die Augen klar erkennen konnte, kalt strahlend wie Laser. Klirrend und Funken sprühend schlugen ihre Schwerter aneinander. Salven von Blitzen durchschnitten den Himmel. Dazwischen in wildem Galopp durchdringend johlende Geister auf schwarzen Säuen. Und Hunde. Eine fürchterliche Meute schwarzer, heulender Riesenköter mit bulligen Körpern und monströsen Köpfen, manche von ihnen groß wie Kälber. Schwefel schwängerte die Luft. Josie rang nach Atem.
Dann löste sich ein Trupp schwarzer Reiter aus der tobenden Menge und jagte senkrecht auf sie zu. In strudelnder Angst tastete sie nach dem Gürtelbund. Ihre Finger umklammerten die Drachenfibel. Ein Gefühl von Wärme schoss durch ihren Körper, ein purpurroter Schein hüllte sie ein. Mit markerschütterndem Gebrüll wichen die Unholde zurück.
Dann ein Schrei, der Josies in die Eingeweide fuhr. Ein Schrei der Todesangst.
»NEIIIIN! – JOSIIEEE!«
Josie erwachte aus der Paralyse und wirbelte herum. Aber Amy war wie vom Erdboden verschluckt. Sie hatten sie mit sich gerissen. Wie vom Schlag getroffen stand sie da. Träumte sie? Den schrecklichsten Albtraum ihres Lebens? Kaum einen Wimpernschlag später erklang ein gewaltiges Dröhnen. Unter Knarren und Rollen, das ihre Knochen vibrieren ließ, schoben sich die Steinblöcke auseinander. Ein unergründlicher Schlund klaffte in der Erde wie eine tiefe Wunde. Eiseskälte durchbohrte Josie wie Nadelstiche. Frostiges Licht flackerte empor. Schwefel, blau flammender, bestialisch stinkender Schwefel. In rasender Geschwindigkeit weitete sich die unheilvolle Öffnung. Dann preschten die wilden Reiter unter ohrenbetäubendem Brausen hinein, als würden sie von einem übermächtigen Magneten angezogen.
Mit einem Donnerschlag, der den Jüngsten Tag anzukündigen schien, schloss sich das grauenvolle Portal. Dann war alles ruhig, von einer verhängnisvollen Ruhe, die den Schrecken noch in sich trug.
Bewegungslos starrte Josie auf den Steinhaufen. Regen rann in Bächen über ihr Gesicht. Dass sie völlig durchnässt war, und ihre Zähne vor Kälte klapperten, spürte sie nicht. Sie spürte überhaupt nichts. Die grenzenlose Angst war einer inneren Leere gewichen. Alles in ihr
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