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Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
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als hätte man sie hundertmal im Kreis gewirbelt.
    Die Fremde tätschelte beruhigend ihren Arm. »Es wird alles gut, Schätzchen. Kannst du mir wenigstens sagen, wo du hinmusst?«
    Josie deutete müde auf ihre Jackentasche.
    »Darf ich?« Ohne Josies Antwort abzuwarten, zog die Frau den Zettel mit der Adresse O’Reardons hervor. »C eart go leor! Springwood Manor.« Sie nickte. »Ich weiß, wo das ist – gar nicht weit von hier.« Mit der Rechten angelte sie eine Decke von der Rücksitzbank und deckte Josie damit zu. Dann ließ sie den Wagen an. Josie versank in einem traumlosen Schlaf.

 
    Als Josie erwachte, blickten ihr, von den flackernden Flammen eines Feuers bizarr beleuchtet, die finsteren Augen eines Kobolds entgegen. Josie fuhr erschrocken hoch.
    Dann kristallisierte sich das Koboldgesicht allmählich als Schnitzwerk an einem deckenhohen Bücherregal heraus, das einen großen, offenen Kamin umrahmte, in dem ein anheimelndes Feuer prasselte. Sich selbst fand sie in einem dicken blau-rot gestreiften Herrenbademantel auf einem Sofa, sorgsam zugedeckt mit einem wollenen Fransenplaid. Gegenüber zwei Ohrensessel, über dem, der dem Kamin näher stand, hingen ihre feuchten Kleider, dazwischen ein kleiner Tisch im dunklen Holz der Bücherwand, die sich über alle vier Wände erstreckte und mit dem geschnitzten Sims einer aufwendig getäfelten Kassettendecke abschloss.
    »Du bist aufgewacht! Gott sei Dank!« Schnelle Schritte klackerten übers Parkett wie Kastagnetten.
    Josie sackte zurück. »Moma!« Sie schloss für einen Moment erleichtert die Augen.
    Ihre Großmutter setzte sich neben sie und strich ihr über die Stirn. »Du kannst dir nicht vorstellen, was ich ausgestanden habe, als ihr nicht aus dem Bus gestiegen seid. – Was war denn bloß los?«
    Josie schüttelte matt den Kopf. »Später, Moma, später.« Sie fühlte sich wie ein ausgehöhlter Kürbis.
    »Ist sie wach?«, erkundigte sich eine klangvolle männliche Stimme auf Englisch.
    »Ja«, flüsterte Moma. »Aber sie ist noch sehr erschöpft.«
    Der Mann musste Professor O’Reardon sein. Josie wandte müde den Kopf zur Seite. »Hi«, sagte sie schwach.
    »Willkommen in Springwood Manor.« Ein älterer Herr, die Hände in den Hosentaschen einer ausgebeulten Jeans, zerknittertem hellen Hemd und einer braunen Weste, mit Spuren, wie sie nur Lieblingsstücke tragen, lächelte sie unter einem weißen Schnurrbart an.
    »Ruh dich aus! Dann erzählst du uns alles. Allerdings …« Er hielte inne, als wäge er ab, ob er Josie nicht doch gleich darauf ansprechen sollte. Dann strich er sich unschlüssig über das dichte, silbergraue Haar, das sich im Nacken zu einer eigenwilligen Locke kringelte, und räusperte sich. »Allerdings machen wir uns Sorgen um deine Freundin. Du hast ihre Tasche mitgebracht – aber wo ist das Mädchen?«
    Josies Körper verspannte sich. Die Erinnerungen an den durchlittenen Albtraum rasten durch ihr Gehirn. Gleichzeitig überlegte sie, was sie antworten sollte. Amy war entführt worden. Wenn sie das jetzt sagte, hieß das Polizei und haufenweise Fragen, die sie nicht beantworten konnte, ohne für verrückt erklärt zu werden.
    Die bange Erwartung ihrer Antwort hing wie ein Nebel im Raum und schnürte Josie fast die Kehle ab. Dann hörte sie sich mit erstickter Stimme sagen: »Dorchadon. Sie haben sie geholt.«
    Wie ein Donnerschlag platzten ihre knappen Worte in die Stille. Die Gesichtszüge des Professors versteinerten zu einer zementgrauen Maske.
    »Dorcha…?«, wiederholte Moma beunruhigt. »Und wer …?« Sie blickte von Josie zum Professor und wieder zu ihrer Enkelin.
    Josie warf die Hände vors Gesicht. »Es war alles so furchtbar!«
    »Die Prophezeiung«, murmelte der Professor tonlos. Seine Augen irrlichterten über die Bücherwände, dann steuerte er wie ein Schlafwandler eines der Regale an, fingerte nervös seine Brille aus der Westentasche und erklomm die Bücherleiter.
    Moma beobachtete ihn in einer Mischung aus Neugier und Besorgnis. »Was hat das alles zu bedeuten, Aaron?«
    Aber der alte Herr antwortete nicht, er war völlig in seine Suche vertieft.
    »Gott sei Dank, das Exemplar scheint so weit in Ordnung zu sein!«, sagte er, nachdem er offensichtlich gefunden, wonach er gesucht hatte, und kletterte mit einem in abgeschabtes braunes Leder gebundenen Folianten von der Leiter.
    Trotz ihrer Erschöpfung ließ Josie kein Auge von ihm. Was wusste er über Dorchadon? War er etwa schon einer der Gefährten, von

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