Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
fantastischen Erlebnissen der letzten Stunden etwas Erholung gönnen, sank sie, kaum dass sie sich hingelegt hatte, in einen traumlosen Schlaf.
Ein Hauch von Lavendelduft lag in der Luft, als sie gut erholt erwachte. Rosalinde musste hier gewesen sein. Tatsächlich hatte jemand ihre achtlos hingeworfenen Kleider ordentlich auf den Stuhl gelegt. Josie nahm sich vor, der freundlichen Bean Tighe mit einem Kännchen Sahne zu danken.
Offenbar hatte sie am längsten von allen geschlafen, denn als sie zum Frühstück auf der Terrasse erschien, waren die anderen schon fast fertig. Momas Teller stand unbenutzt vor ihr. Grau und mitgenommen nippte sie an einer Tasse Tee.
»Hast du immer noch Kopfschmerzen?«, erkundigte sich Josie.
»Teuflisch!« Josies Großmutter presste die Hand auf die Stirnader. »Fürchte, das wird ein Migränetag, der sich gewaschen hat. Ich leg mich nachher gleich wieder hin.«
Der Professor schob Josie den Zucker hin. »Arthur und ich haben vor, ins Krankenhaus zu fahren. Kommst du mit? Brian ist sicher froh um jede Ablenkung.«
»Klar. Gibt’s denn was Neues?«
Arthur knüllte seine Papierserviette zusammen. »Das zweite CT …« Er stockte.
»Das zweite Computertomogramm deutet auf eine irreversible Lähmung hin«, übernahm sein Großonkel das Wort, während der Junge die Fingernägel in das Zellstoffknäuel krallte.
»Irreversibel?«, wiederholte Josie erschrocken. »Heißt das, man kann nichts machen?«
»Genau das heißt es!«, presste Arthur hervor, sprang auf und lief ins Haus.
Betroffen sahen ihm alle nach.
»Es nimmt ihn ziemlich mit, das mit seinem Bruder«, sagte der Professor. »Die zwei waren als Kinder unzertrennlich. Erst als Brian mit dem Studium begonnen hat, haben sie sich auseinandergelebt. Mit meinem Bruder und mir war das leider genauso.«
Mit wenig Appetit aß Josie ein Rosinenbrötchen und griff, als sich die Frühstücksrunde auflöste und ihre Großmutter ihr schon den Rücken zukehrte, verstohlen nach dem Sahnekännchen, was ihrem Gastgeber jedoch nicht entging.
»Darf man fragen …«, setzte er an, doch da schüttelte Josie schon heftig den Kopf.
»Verstehe.« Lächelnd folgte der alte Herr Moma ins Haus.
Was für ein Glück, dass Aaron O’Reardon mit den Dingen der Anderwelt so vertraut ist, dachte sie, als sie die Treppe hochging. Was würde Taddy zu all dem sagen? Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht. Wahrscheinlich würde er die Bewohner von Springwood Manor für die komplett durchgeknallten Insassen einer psychiatrischen Anstalt halten.
Eine halbe Stunde später trafen sie sich vor dem Haus. Arthur schien sich einigermaßen gefasst zu haben, schwieg aber während der Fahrt zum Krankenhaus. Auch Josie und der Professor redeten nicht viel. Jeder hing seinen Gedanken nach, vielfältigen und wirren Gedanken, die sich kaum ordnen lassen wollten.
Das St.-James-Hospital in Galbridge bestand aus einem altertümlichen Ziegelgebäude, an dem ein eckiger weißer Neubau hing wie ein Frachtcontainer an einem Pferdefuhrwerk.
Arthurs Sneakers quietschten auf dem hellblauen Kunststoffboden des Krankenhausgangs. Auch jetzt sprachen sie nur das Notwendigste. Wie ein Felsbrocken lastete die Frage auf Josie, was man zu jemandem, der kaum zwanzig war und sein Leben lang gelähmt sein würde, sagen sollte. Josie wusste es nicht.
Arthur blieb vor einer der uniformen Zimmertüren stehen. »Wir sind da!«
Er griff nach der Klinke und atmete tief durch. Josie und der Professor warfen sich einen verstehenden Blick zu. Dann öffnete der Junge ruckartig die Tür – und wich postwendend zurück, wobei er Josie beinahe auf den Fuß trat.
Vor dem Krankenbett, in dem ein blasser junger Mann lag, der Arthur sehr ähnelte, standen ein Herr in einem Geschäftsanzug und eine Frau, Arthurs Mutter.
»Arthur?«, rief sie überrascht. »Aaron?«
»Wenn ich gewusst hätte, dass Dad hier ist, wäre ich später gekommen«, gab Arthur schneidend zurück.
Ryan O’Reardon beantwortete die barsche Bemerkung seines Sohnes mit einem Stirnrunzeln, das seine kräftigen Augenbrauen zu einem borstigen Balken zusammenwachsen ließ. Mit finsterem Nicken begrüßte er den Professor. »Wie geht’s, Aaron?«
Josie hatte das Gefühl, als blicke der athletisch gebaute Mann mit den grauen Schläfen und dem ausgeprägten Kinn durch sie hindurch. Das war also Arthurs Vater! Sie machte einen verstohlenen Schritt zum offenen Fenster. Warum musste sie nur immer diesen verdammten Modergestank
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