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Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
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selbst Rosalinde, die niemals unkte, Besorgnis äußerte, schlug ihr auf den Magen. Sie fühlte sich wie vor einer Mathearbeit, für die sie nicht vorbereitet war. Mit kalkweißem Gesicht setzte sie sich auf die Bettkante. Hatte sie über den Ereignissen des Tages die bevorstehende Nacht erfolgreich verdrängt, ballte sich ihre unterdrückte Furcht nun zu einem gewaltigen schwarzen Abgrund zusammen, der sie zu verschlingen drohte.
    Rosalinde schien zu bemerken, dass ihre Bemerkungen Josie Angst eingeflößt hatten. Sie hob beschwichtigend die Hände. »Ach, junge Herrin, nicht verzagen, nur weil mich die Sorgen plagen. Der Knabe, der Euch wird begleiten, steckt voller Klugheit, Kraft und Mut. Er wird an Eurer Seite streiten. Er trägt in sich des Frevlers Blut und ist befugt, für ihn zu fechten mit den bösen Dunkelmächten.«
    Unerwartet wurde die geheime Tür im Paneel aufgestoßen und der Cluricaun spazierte ins Zimmer. Sein Zylinder saß schief wie eh und je, aber er schien diesmal nicht betrunken zu sein, denn er hielt sich auf seinen krummen Beinen einigermaßen aufrecht.
    Mit einem Naserümpfen nahm er zur Kenntnis, dass Rosalinde da war. »Ich seh, das Zwergenweib ist hier, sie denkt wohl, dies sei ihr Revier.« Unter umständlichen Bewegungen zerrte er ein Silberkettchen aus der Jackentasche, an dem ein silberner Flachmann hing.
    »Nehmt dieses Zauberfläschchen an! Sein Inhalt wird Euch hilfreich sein. Er regt die Lebenskräfte an, heilt Wunden, Krankheit, Qual und Pein.« Mit einem verschwörerischen Augenzwinkern fügte er flüsternd hinzu: »Ich hab vom besten Whiskey rein. Er wird sich nie verzehren und sich stets neu vermehren.« Damit trat er vor, überreichte Josie das Fläschchen, zog den Zylinder und verbeugte sich tief.
    Josie nahm das Geschenk des Cluricauns überrascht entgegen. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Sie räusperte sich, während sie das Fläschchen von allen Seiten betrachtete. »Vielen Dank, MoDain – Whiskey, aha … Das ist wirklich sehr nett von dir.«
    Rosalinde konnte kaum verbergen, wie sehr ihr missfiel, dass auch der Cluricaun Josies Sympathie erregte.
    »Der Fingerhut, den ich Euch gab …«, sagte sie wichtigtuerisch. »Er ist von ganz besondrer Art – wird Kleidung einem jeden schenken, der steckt den mittlern Finger rein. Desweit’ren muss man nur noch denken, von welcher Mode sie soll sein.«
    Dass die Hausgeister sich so um sie sorgten, rührte Josie zutiefst. »Ich danke euch«, sagte sie gepresst. »Wir werden sicher jede Hilfe brauchen können.« Und schon war es wieder da, das mulmige Gefühl, und kroch ihr wie eine behaarte Raupe die Kehle empor.
    »So geht!« Rosalinde gab MoDain einen Wink. »Die junge Herrin muss jetzt ruh’n, es ist ein großes Werk zu tun.« Dann wandte sie ihr rundliches Gesicht wieder zu Josie. »Lavendel wird Euch Ruhe schenken. Ihr sollt nun an was Schönes denken und für ein Stündchen schlafen ein, so werdet ihr gekräftigt sein, für diese Abenteuernacht …« Sie blickte Josie liebevoll an. »Und wisst, es wird an Euch gedacht!«
    Mit einem aufmunternden Nicken schob sie den Cluricaun zur Tür. Eine Sekunde später waren die Hausgeister hinter dem Paneel verschwunden.
    Josie legte sich aufs Bett. Das Kissen duftete. Sie hob es an und lächelte. Rosalinde hatte ein frisches Lavendelkränzchen daruntergelegt. Sie ließ den Kopf zurückfallen und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren. Die Verantwortung, die man ihr aufgebürdet hatte, lastete wie ein Zementsack auf ihr. Sie sollte Narranda retten, und damit ihre Nachkommen und Conall O’Reardon vom Fluch der Sidhe erlösen. Und dann war da noch Amy. Wer sonst sollte Amy und Edna aus Dorchadon befreien? Sie starrte an die Zimmerdecke. Was war nur los? Sie waren sich in Chicago auf Anhieb so unglaublich nahe gewesen. Warum fühlte sie sich seit einiger Zeit so von Amy abgeschnitten? Ob Amy überhaupt noch … Nein! Schluss damit! Rosalinde hatte gesagt, sie sollte an etwas Schönes denken. Josie drehte sich zur Seite und dachte an etwas Schönes. An einen großen, schlaksigen Jungen mit bernsteinfarbenen Augen.

 
    Als sie aufwachte, war es schon vier Uhr nachmittags. Sie streckte sich und fühlte sich seltsam gestärkt, aufgetankt, und voll ungeduldiger Erwartung. Tropfen klickerten an die Scheiben. Josie sprang aus dem Bett und schob die Gardine zurück. Die harmlosen Wölkchen vom Morgen hatten sich, typisch für hier, zu Regenwolken ausgewachsen. Hoffentlich

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