Das Vermächtnis der Feuerelfen
Leben gab. Die Vernichtung war vollkommen. Arvid existierte nicht mehr ...
»Genug!« Finearfin keuchte auf und brach die Verbindung ab. »Das... das ist unmöglich«, presste sie hervor.
»Es ist die Wahrheit.« Der Schwarze sprach ganz ruhig. »Du ahnst nicht, mit welchen Mächten Nimeye sich verbündet hat.«
»Aber niemand kann in die Zukunft blicken«, behauptete Finearfin, die nicht glauben wollte, was sie gesehen hatte. »Menschen und Elfen haben es versucht. Immer wieder. Sie haben die Götter angerufen und Zauber gewirkt, vergeblich. Wie kannst du wissen, was geschehen wird?«
»Weil ich es weiß.«
»Das Dritte Auge hilft nur, in die Vergangenheit zu schauen. Wie hast du das gemacht? Verfügst du über eine besondere Magie?
«, fragte Finearfin und gab sich dann selbst die Antwort. »Ja. Eine Magie, die stärker ist als die Gabe unserer Hohepriesterin, vielleicht sogar stärker als die Magie, die Nimeye beherrscht.«
Der Schwarze nickte bedächtig. »Diese Magie gehört zu mir seit meiner Geburt. Ich habe sie mir nicht gewünscht und sie nicht gewollt. Als ich sie entdeckte, war ich stolz darauf, aber dann...« Er stockte und sein Gesicht verdüsterte sich. »Es tut nichts zur Sache, was damals geschah. Wichtig ist nur, dass ich meine Macht zu hassen lernte und mich dafür schämte und verfluchte. Ich wende sie nur noch selten an, aber manchmal lässt es sich nicht vermeiden. So wie jetzt.
Allerdings sehe ich nur Möglichkeiten dessen, was kommt. Ebenso wie das zerstörte Arvid könnte ich dir Bilder einer Stadt zeigen, die ohne Angst vor den Anderweltwesen zu einer gewaltigen Handelsmetropole heranwächst. Was am Ende Wirklichkeit sein wird, liegt an uns und daran, wie mutig wir dem Schicksal entgegentreten.«
Finearfin sah den Elfen lange an, dann fragte sie: »Wer bist du, Schwarzer? Wer bist du wirklich?«
Der Elf antwortete nicht sofort. Den Blick auf das mondbeschienene Meer gerichtet, schien er seine Antwort sorgfältig abzuwägen, ehe er zu sprechen anhob: »Ich bin zur Hälfte ein Elf. Meine Mutter stammte von dem stolzen Volk aus dem Zweistromland, und es ist ein Glücksfall, dass ich ihr so ähnlich sehe. Niemand erkennt das Erbe meines Vaters in mir und das ist gut so. Er ist es, von dem die Magie in mich floss. Heute kann ich über sie gebieten, zumindest über einen Teil davon. Aber selbst dieser Teil verleiht mir Kräfte, die zu beherrschen mich viele Winter meines Lebens gekostet hat.«
Es folgte ein langes Schweigen, das Finearfin nicht zu brechen wagte, obwohl ihr die nächste Frage bereits auf der Zunge lag: Wer ist dein Vater? Aber sie wartete, bis der Schwarze von selbst fortfuhr: »In den ersten Wintern gelang es meiner Mutter, geheim
zu halten, was niemand wissen sollte. Aber dann erwachte das Erbe in mir. In meinem jugendlichen Leichtsinn tat ich Dinge, die ich besser nicht hätte tun sollen. Mein Treiben blieb nicht unbemerkt, und so wurden wir verhaftet, meine Mutter und ich. Sie versuchte, mich zu schützen, aber sie war schwach und hielt dem Verhör durch Nimeye, die damals noch das Amt der Hohepriesterin innehatte, nicht lange stand.«
Er schwieg, und in seinem Blick las Finearfin, dass es ihm schwerfiel weiterzusprechen. »Ich war kein Sohn der Liebe. Mein Vater lauerte meiner Mutter eines Nachts im Wald auf. Er hatte die Gestalt eines Elfen angenommen und verführte sie. Sein wahres Gesicht zeigte er ihr erst im Morgengrauen, aber da war es zu spät.« Er holte tief Luft und fügte hinzu: »Dass sie mich trotzdem lieben lernte, zeugt von einer Stärke, die ich an ihr immer bewundert habe.«
»Was geschah dann?«, fragte sie.
»Als der König von meiner Abstammung erfuhr, verstieß er mich. Ich glaube, er hätte es gern gesehen, wenn ich in Arvid ein Schiff bestiegen hätte und niemals zurückgekehrt wäre. Und bei den Göttern, vielleicht wäre es tatsächlich das Beste gewesen.«
»Warum hast du es nicht getan?«
»Weil Nimeye es verhinderte.«
»Nimeye?« Finearfin runzelte die Stirn. »Warum?«
»Kannst du dir das nicht denken?« Der Schwarze schaute sie durchdringend an. »Was sie getan hat, war von langer Hand geplant. Um den König zu stürzen, überließ sie nichts dem Zufall. Schon damals scharrte sie im Geheimen Getreue um sich, die ihr nützlich erschienen. Nach meiner Verurteilung kam sie zu mir und versuchte, mich auf ihre Seite zu ziehen. Sie glaubte wohl, meinen Hass auf den König für sich nutzen zu können. Aber sie irrte sich, denn mehr noch
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