Das Vermächtnis der Feuerelfen
Rußraben reglos und mit ausgebreiteten Flügeln lag.
»Nein.« Nimeye machte eine ungeduldige Handbewegung. »Nimm ihn mit, und sieh zu, was du für ihn tun kannst. Ich habe gesehen, was ich sehen wollte.«
»Dann ist es also wahr?« Lorcann, der Befehlshaber der Truppe, blickte Nimeye fragend an.
»Ja.« Nimeye nickte grimmig, wartete jedoch, bis der Rabenmeister den Raum verlassen hatte, ehe sie weitersprach. »Der Schwarze ist an Bord. Er treibt das Boot mit magischen Winden
an, damit es doppelt so schnell fährt wie die Annaha . Wenn wir nichts unternehmen, werden sie die Annaha morgen bei Sonnenaufgang eingeholt haben.«
»Aber was können wir tun?«, fragte Lorcann. »Wir haben keine Schiffe und können nicht von der Insel weg.«
»Das überlass nur mir«, erwiderte Nimeye mit kaltem Lächeln. »Ich werde meinen alten Freund gebührend empfangen.«
Die Reise der fünf, die in Arvid in See gestochen waren, um Caiwen zu retten, verlief ruhig und so friedlich, dass Durin nach einer Weile davon überzeugt war, dahinter könne nur das Nahen eines großen Unheils stecken. »Das ist die Ruhe vor dem Sturm«, prophezeite er düster, während er seine Waffen putzte und schärfte, um, wie er betonte, für alle Fälle gewappnet zu sein.
Wie schon an Bord der Barke schien der Schwarze auch hier wieder an alles gedacht zu haben. Waffen, Decken, Vorräte und allerlei andere Dinge, deren Sinn und Zweck sich Finearfin nicht immer erschloss, füllten den Lagerraum des kleinen Schiffes, das zu Heylons großer Freude auch eine Kajüte mit vier Kojen besaß, sodass sie diesmal nicht an Deck schlafen mussten.
Und wie zuvor die Barke schien auch das Fischerboot ohne Steuermann auszukommen. Der Wind blies stetig und so kräftig aus Osten, dass sie schnelle Fahrt machten und hoffen konnten, die Annaha noch vor der Feuerinsel einzuholen.
Was dann geschehen würde, darüber waren sie sich uneins. Es gab viele Erfolg versprechende Strategien, wie man Caiwen befreien könnte, die aber alle irgendwann an einen Punkt gelangten, an dem unüberwindlich erscheinende Hindernisse auftauchten.
»Wenn wir eine Flotte schneller Elfenschiffe zur Unterstützung hätten, könnten wir die Annaha vor der Feuerinsel abfangen und Caiwens Freilassung erzwingen.« Finearfin riss sich ein Stück Brot ab und starrte gedankenverloren in die Flammen, die in dem
eisernen Feuerkorb am Oberdeck emporzüngelten. Es war der zweite Abend ihrer Reise. Sie kamen gut voran, aber die Stimmung war schlecht. Von der Annaha fehlte jede Spur, obwohl Saphrax als Raubmöwe unermüdlich nach ihr Ausschau gehalten hatte. Bei Anbruch der Dämmerung sollte er erneut aufsteigen. Irgendwann, da war sich Finearfin sicher, würde die Annaha am Horizont auftauchen.
»Die haben wir aber nicht«, stellte Durin überflüssigerweise fest.
»Saphrax könnte sich wieder in einen Mhorag verwandeln und die Annaha zerstören«, schlug Heylon vor, der seine klammen Finger über dem Feuer wärmte. »Wir müssen Caiwen dann nur aus dem Wasser fischen.«
»Zu gefährlich.« Finearfin schüttelte den Kopf. »Man wird sie unter Deck gefangen halten. Vielleicht ist sie gefesselt. Sie würde ertrinken, ehe einer von uns sie findet.«
»Und wenn du dich nachts an Bord schleichst und sie befreist, so wie du es schon einmal getan hast?«, fragte Heylon.
»Das wird nicht leicht werden.« Finearfin seufzte. »Ich bin überzeugt, dass sie Wachen vor der Kajüte postiert haben.«
Ratlosigkeit machte sich breit und ließ die Gefährten verstummen. Je länger das Schweigen währte, desto deutlicher wurde, dass sie außer der Entschlossenheit, Caiwen zu retten, nicht viel mit an Bord gebracht hatten - nicht mal einen Plan.
»Darf ich etwas sagen?«, fragte Saphrax schließlich in die Stille hinein.
»Nanu, so höflich?« Durin zog erstaunt eine Augenbraue in die Höhe. »Sonst plapperst du doch auch einfach drauflos.«
»Nur zu.« Der Schwarze ging nicht auf Durins Worte ein. Er hob die Hand und machte eine einladende Geste. »Wir können jeden guten Gedanken gebrauchen.«
»Ich könnte als Raubmöwe an Bord fliegen und mich dann in eine Ratte verwandeln, um nach Caiwen zu suchen«, schlug Saphrax
vor. »Dann nage ich mich durch die Wand ihrer Kajüte und durchtrenne ihre Fesseln.«
»Und die Wache?«, fragte Durin.
»Die töte ich als Schlange mit einem schnellen Biss und bringe Caiwen dann den Schlüssel für die Tür. Gemeinsam schleichen wir uns an Deck und springen über Bord. Im
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