Das Vermächtnis der Feuerelfen
zurück. Nach Dingen, die ihr vertraut waren, die Wärme und Geborgenheit verhießen und keine Geheimnisse bargen. Tief in sich spürte sie, dass ein Wandel bevorstand, der gerade erst begonnen hatte und dessen Ausmaß sie noch nicht ermessen konnte. Das Grab war nur ein Steinchen im Gefüge dieser Veränderung, die sich wie ein heraufziehender
Sturm am Horizont ihres Daseins abzeichnete. Eine Veränderung, die auch ihr innerstes Wesen betraf und die sie nicht wollte.
Mit steifen Gliedern erhob sich Caiwen, nahm die erloschene Lampe zur Hand und schlich zu ihrem Elternhaus zurück. Sie hatte Angst. Angst vor der Zukunft, aber auch vor sich selbst.
INSEL DER GEISTER
D er Sonnenaufgang brannte wie Feuer über den endlosen Weiten des Ozeans, als er Wind und Dunkelheit nach Westen davonscheuchte und die bittere Kälte erträglich machte. Das Licht vertrieb die Schatten, die Wellenberge wurden flacher und irgendwo pfiff jemand ein munteres Lied.
Durin regte sich vorsichtig unter der ölgetränkten Plane, die ihm ein mitleidiger Seemann in der Nacht gegeben hatte, und unterzog seinen Körper einer kurzen Prüfung. Die Nacht zwischen Kisten und Netzen auf dem Oberdeck forderte nachdrücklich ihren Tribut. Sein Kopf brummte und sein Magen hatte immer noch keine Ruhe gefunden - aber er lebte.
Durin seufzte und fuhr sich mit den Händen müde über das bleiche Gesicht. Noch vor ein paar Stunden war er davon überzeugt gewesen, elendig sterben zu müssen. Die Seekrankheit hatte ihm mehr zugesetzt, als es je ein Weinrausch getan hatte. So sehr, dass ihm bei dem Gedanken an die Heimfahrt gleich wieder übel wurde. Durin unterdrückte das Gefühl und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Schließlich war es nicht gewiss, dass sie auf dem Rückweg wieder so starken Wind haben würden. Zu schwach, um aufzustehen, veränderte er seine Haltung gerade so weit, dass er die schmerzenden Glieder etwas entlastete, schob seinen Hut zurück und blinzelte in das Licht der aufgehenden Sonne.
»Gut geschlafen?« Die grau-weiße Raubmöwe, die sich auf einer nahen Kiste niedergelassen hatte, legte den Kopf schief und zwinkerte ihm zu.
»Ein wenig mehr Mitgefühl würde dir gut zu Gesicht stehen, Saphrax.« Durin grinste gequält und wollte noch etwas hinzufügen, als er Schritte hörte, die sich rasch näherten.
Saphrax stieß einen spitzen Schrei aus und flog davon.
»Ah, da ist ja unser Held.« Die Arme vor der Brust verschränkt, bauten sich der Kapitän und der Erste Offizier vor Durins Nachtlager auf. Ihre Gesichter zeigten keine Regung, aber der Spott, der in den Worten mitschwang, war nicht zu überhören. »Melrem hat sich Sorgen gemacht, als er Euch am Morgen nicht in Eurer Kajüte fand«, erklärte der Kapitän. »Er fürchtete, es könnte Euch über Bord gespült haben.«
»Wie Ihr seht, bin ich noch da«, knurrte Durin und schob das Öltuch zur Seite. Er hasste es, zu anderen aufsehen zu müssen, und versuchte unbeholfen, auf die Beine zu kommen.
»Ist Euch nicht wohl?«, erkundigte sich der Erste Offizier höflich. Durin entging nicht, dass es um seine Mundwinkel verräterisch zuckte, ganz so, als könne er sich das Lachen nur mühsam verkneifen.
»Mir geht es bestens. Danke.« Durin bemühte sich, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. Dabei sandte er ein kurzes Gebet zu den Göttern und dankte ihnen, dass das Schiff endlich zu schaukeln aufgehört hatte. »Ich bin es nicht gewohnt, in einem engen Raum zu nächtigen«, setzte er zu einer Erklärung an. »Die Luft hier draußen ist viel besser.«
»Verstehe.« Der Offizier verzog weiterhin keine Miene.
»Nun Durin, darf ich Euch trotzdem einladen, die Morgenmahlzeit gemeinsam mit Melrem, dem Ersten Offizier und meiner Wenigkeit in meiner Kajüte einzunehmen?«, fragte der Kapitän. »Bei der Gelegenheit können wir beraten, wie es weitergehen soll.«
»Gern.« Durin gelang ein Lächeln. Das Letzte, was er hatte, war Hunger. Schon bei dem Gedanken an Essen krampfte sich sein Magen zusammen.Aber er bewahrte Haltung und sagte: »Ich fühle mich geehrt und komme, sobald ich mich gewaschen und rasiert habe.«
»Wir erwarten Euch.« Der Kapitän nickte ihm zu, wandte sich um und ging. Der Offizier folgte ihm. Durin schaute den beiden nach und fluchte leise. Wie es aussah, hatte sich seine Seekrankheit bereits auf dem Schiff herumgesprochen. Der Held, wie der Kapitän ihn spöttisch genannt hatte, hatte sich vor der Mannschaft bis auf die Knochen blamiert, eine
Weitere Kostenlose Bücher