Das Vermächtnis der Feuerelfen
erreicht haben. Später werde ich mich dann richtig um die Wunde kümmern«, hörte er Caiwen sagen und sah, wie sie den Gürtel ihres Mantels löste. »Das kann jetzt noch mal wehtun. Heylon, hol mir bitte das Stück Holz dahinten.« Ehe Durin protestieren konnte, hatte sie das zerfetzte Hosenbein ganz aufgerissen und den Gürtel um seinen Oberschenkel geschlungen. Mit dem Holzstück, das Heylon ihr reichte, zog sie die Schlinge so weit zu, dass Durins Bein zu pochen begann. Er öffnete den Mund, doch Caiwen schien ganz in ihrem Element zu sein. »Jetzt nicht«, herrschte sie ihn freundlich, aber bestimmt an. »Zum Reden wird später noch Zeit sein. Kannst du aufstehen?«
»Ich versuche es.«
»Gut. Heylon, du musst ihn auf der anderen Seite stützen! Gemeinsam sollten wir es bis zu den Klippen schaffen.«
Die beiden taten ihr Bestes, trotzdem schien es endlos lange zu dauern, bis Durin sich endlich am Fuß der Klippe setzen und ausruhen durfte. Vor seinen Augen tanzten blitzende Punkte und
sein Bein pochte wie wild, aber es blutete nicht und das allein zählte. Er war immer noch durstig und froh, den Wasserschlauch nicht ganz geleert zu haben, denn es war der einzige, den Heylon und Caiwen bei sich hatten. Gierig trank er auch die letzten Schlucke und gab Heylon den Schlauch zurück.
»Und was machen wir jetzt?«, wandte Heylon sich an Caiwen. Er wirkte ängstlich und unsicher und schien mit der Situation überfordert zu sein. »Wir lassen ihn hier und gehen zurück ins Dorf«, sagte Caiwen sofort. »Du besorgst ein paar brennende Steine, damit wir ein Feuer machen können, frisches Wasser und etwas zu essen. Ich hole Decken, Verbandszeug und Heilsalbe, um die Wunde zu versorgen. Dann sehen wir weiter.«
»Also, ich weiß nicht, Caiwen. Meinst du wirklich, dass wir …?«
»Ja!«, fiel Caiwen ihm ins Wort. »Ja, genau das meine ich. Auf der anderen Seite der Insel mussten heute sechs Unschuldige ihr Leben lassen. Willst du etwa, dass ihm das Gleiche widerfährt?«
Durin horchte auf. Wovon sprachen die beiden? Er wagte nicht, danach zu fragen, verfolgte das Gespräch aber sehr aufmerksam.
»Nein. Nein, natürlich will ich das nicht«, räumte Heylon ein. »Aber überleg doch mal. Wie lange können wir ihn hier vor Lenval und den anderen verstecken? Wie lange können wir ihn versorgen, ohne dass es jemandem auffällt? Ein paar Sonnenaufgänge, mit etwas Glück vielleicht auch einen Schwarzmond, länger nicht. Früher oder später wird es herauskommen, dass wir einen Schiffbrüchigen gerettet haben, und dann …«
»Ich bleibe nicht lange hier.« Durin räusperte sich, um den Worten Nachdruck zu verleihen.
»Wie?« Die beiden starrten ihn verblüfft an. Dann fragte Caiwen: »Diese Insel hat noch nie jemand verlassen. Wie kannst du dir da so sicher sein?«
»Weil bald ein Schiff kommt und mich abholt.«
»Ein Schiff?« Heylon sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. »Aber das ist unmöglich. Die Insel wird von allen Schiffen gemieden.«
»Ich weiß.« Durin lehnte den Kopf gegen die Klippe und schloss die Augen. »Aber dieses wird kommen.«
»Da hörst du es«, wandte sich Caiwen wieder an Heylon. »Also, was ist nun? Bist du dabei?«
»Und wenn er lügt?« Heylon maß Durin mit einem finsteren Blick. »Wir kennen ihn nicht und wissen nicht, was er vorhat. Ihm zu helfen, mag dir als eine gute Tat erscheinen, aber was ist, wenn du dich irrst und er großes Unheil über uns bringt?«
»Er ist allein und verletzt«, sagte Caiwen leichthin. »Mit dem Bein kann er die Klippe nicht erklimmen.«
»Und was ist mit dem Schiff?«, fragte Heylon aufgebracht. »Du hast gehört, was er gesagt hat. Sie werden kommen und ihn holen.«
»Sie werden die Insel nicht betreten«, wandte Durin matt ein. »Sie fürchten sich.«
»Dann wäre ja alles geklärt.« Caiwen schien wild entschlossen, ihren Plan in die Tat umzusetzen. »Und jetzt hilf mir.« Sie warf Heylon einen flehenden Blick zu. »Bitte. Er hat viel Blut verloren. Die Wunde muss genäht werden, sonst stirbt er. Dann suchen wir nach einem Ort, an dem wir ihn verstecken können, bis er abgeholt wird.« Heylon zögerte, aber nur kurz. »Also schön. Ich werde sehen, was ich tun kann.«
»Du bist ein wahrer Freund. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.« Caiwen schenkte Heylon ein Lächeln, kniete sich in den Sand und machte sich wieder an Durins Bein zu schaffen. »Ich löse den Gürtel jetzt ein wenig, damit dein Bein wieder
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