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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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lächelnd zu ihm um und strich eine Haarsträhne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, aus dem Gesicht: „Du wolltest mit mir reden, doch du schweigst nur und starrst mich an. Ich frage mich, ob das, worüber du dich mit mir unterhalten wolltest, überhaupt aussprechbar ist.“
    Julius erwiderte ihr Lächeln und rang einen Augenblick vergeblich nach Worten. Der Wind war inzwischen viel heftiger geworden und große Schneeflocken wirbelten durch die Luft. Innerhalb kurzer Zeit fiel der Schnee so dicht, dass man kaum noch etwas sehen konnte. Eilig zog Julius Elaine in einen der verlassenen Hauseingänge. Dort schüttelten sie die dicke Schneeschicht von ihren Mänteln und sahen sich um. Sie befanden sich im Villenviertel auf halber Strecke zum Palast. Das Haus, in dessen Eingangsbereich sie standen, musste einer reichen Familie gehört haben. Türrahmen und Wände waren üppig verziert und aus dem gleichen kostbaren Gestein wie das Schloss erbaut. Jetzt aber wirkte alles vernachlässigt und ungepflegt. Die Bewohner waren schon lange fort, geflohen oder tot. Viele Häuser in der Stadt der Könige sahen inzwischen so aus, verlassen, niedergebrannt, zerstört.
    Julius wandte den Blick von der vereisten, verschneiten Straße ab und drehte sich zu Elaine um. Sie sah ihn groß und erwartungsvoll an und er nahm all seinen Mut zusammen.
    „Elaine“, begann er sehr förmlich. Seine Stimme zitterte leicht. Er räusperte sich und sprach dann sicherer weiter: „Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr und ich kann mir mein Leben nicht mehr ohne dich vorstellen. Ich wünsche mir nichts mehr, als immer mit dir zusammen sein zu können“, sein Tonfall änderte sich, wurde warm und liebevoll. Sanft und sehnsüchtig sah er in ihre blauen Augen: „Elaine, willst du mich heiraten?“
    Sie reagierte ganz anders, als er es erwartet hatte. Er hatte mit Überraschung, Freude, Ablehnung gerechnet, doch ihr Gesichtsausdruck verriet nichts von alledem. Einen endlosen Augenblick lang sah sie ihn unverwandt an, dann, als sich das Schweigen in die Länge zog, schlug sie die Augen nieder und seufzte.
    „Ich liebe dich auch, Julius, und ich bin gern mit dir zusammen. Aber das ist nicht das Einzige in meinem Leben“, sie bemerkte seine Enttäuschung. Sie seufzte erneut, zwang sich aber, weiterzusprechen: „Bitte verstehe mich nicht falsch. Mein größter Wunsch war stets, der Sohn meines Vaters zu sein und tun zu dürfen, wozu ich ausgebildet wurde. Logis hat mich dazu erzogen, ein Fürstentum zu regieren. Und je älter ich wurde, desto deutlicher machte man mir klar, dass ich es niemals schaffen würde und dass sie es nicht zulassen werden. Vielleicht könnte ich mir mit der Zeit einen Platz in dieser von Männern dominierten Welt erobern, doch gewiss nicht, indem ich den Sohn des Großkönigs heirate. Ich weiß nicht, ob ich bereit bin, all diese Ziele aufzugeben.“
    Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen, aber sie musste jetzt die Wahrheit sagen. Julius hatte ein Recht darauf.
    „Du könntest all das trotzdem tun. Ich würde es dir nicht verbieten.“
    Sie lächelte flüchtig: „Das weiß ich. Du bist in Arida aufgewachsen und die ganze Stadt lebt im Schatten der Gildeherrin. Aber meine Onkel und Neffen würden es einfach nicht zulassen.“
    Langsam trat Julius näher an sie heran. Er streckte die rechte Hand aus, strich zärtlich über ihre Wange und hob schließlich ihr Kinn, sodass sie ihn ansehen musste: „Logis ist noch nicht alt, er wird noch lange in Ariana herrschen. Und nach ihm“, er errötete, sprach aber weiter, „könnten unsere Kinder regieren, wenn sie wollen und wenn es dein Wunsch ist. Glaubst du nicht, dass du der Welt als Königin beweisen könntest, dass man auch als Frau fähig ist zu denken? Zusammen könnten wir so vieles verändern.“
    Elaine blickte in seine warmen, freundlichen Augen. Dann schmiegte sie sich in seine Arme. Julius bot ihr sehr viel an: seine Liebe, die Möglichkeit, ihre Ziele zu verwirklichen, und eine Macht, die sie sich kaum vorstellen konnte. Sie war stets ehrgeizig gewesen, doch bezog sich dieser Ehrgeiz auf Ariana. Jetzt erinnerte sie sich an etwas, das Logis oft gesagt hatte: Macht kompromittiert. Würde sie jetzt der Verlockung dieser Macht nachgeben und ihre geliebte Heimat gegen die Krone und die Erfüllung ihrer Wünsche eintauschen? Und dann war da noch Julius. Sie liebte ihn und zudem hatte er recht. Ihr Vater war noch nicht alt, und ihre Kinder konnten nach ihm herrschen, ohne

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