Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
jenen Kampf, der ihr Leben bestimmt hatte, führen zu müssen. Jetzt spürte sie seinen warmen Atem an ihrer Wange und seine Hand, die sanft und zärtlich durch ihr Haar strich. Sie fühlte sich sicher und geborgen bei ihm. Sie hätte nicht gedacht, jemanden so sehr lieben zu können. Es stimmte, zusammen konnten sie vieles schaffen.
Sie hob den Kopf und sah Julius an: „Ja, ich möchte dich heiraten.“
„Wirklich?“, Julius sah sie ungläubig und gleichzeitig glückselig an.
„Wirklich.“
Ungestüm drückte er sie an sich. Und dann küsste er sie und vergaß dabei die winterliche Kälte.
Am frühen Nachmittag erreichten Elaine und Julius den Schlosshof. Sie gingen Hand in Hand, und obwohl sie sich bemühten, es nicht zu deutlich zu zeigen, war ihr zufriedenes Lächeln unübersehbar. Sie begegneten Logis’ wissendem Blick. Elaine errötete und Julius löste seine Hand von der ihren. Er bemühte sich um die der Situation angemessene Ernsthaftigkeit, doch sosehr er es auch versuchte, es gelang ihm nicht ganz.
Einen Augenblick später gesellte sich Tarak, der Hauptmann der Stadtwache, zu ihnen.
„Die Fürsten haben das Stadttor erreicht. Sie werden gleich hier sein“, er sprach den breiten Dialekt der Fischer des südlichen Aquaniens und er gehörte zu den wenigen, die aus einfachen Verhältnissen stammten und die sich ihre jetzige Position durch harte Arbeit erkämpft hatten. Noch immer erweckte der große, kräftige Mann mit dem wettergegerbten Gesicht den Eindruck, dass er sich schwertschwingend deutlich wohler fühlte als bei gesellschaftlichen Zusammenkünften. Soweit Julius wusste, war er einer der besten Hauptmänner, welche die Garde je gehabt hatte.
Julius wandte seinen Blick vom Gesicht des Soldaten ab und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Straße, die zum Schloss führte. In weiter Ferne erkannte er kleine Gruppen von Reitern. Er kniff die Augen zusammen, nur um gleich darauf überrascht die Augenbrauen hochzuziehen. Das waren nicht nur Cordac, Eugen und Ciaran, mit denen er gerechnet hatte. Da waren mindestens zwanzig Berittene, die auf den Palast zukamen. Kurz darauf wurde ihm die Unsinnigkeit seiner Erwartungen klar. Die drei Fürsten würden kaum allein durch ein von Feinden besetztes Land reisen.
Sie näherten sich jetzt schnell dem Palast. Wenige Augenblicke, nachdem Julius sie zuerst gesehen hatte, befahl Tarak den Wachen, das Tor zu öffnen.
Kaum hatten die Ankommenden den Hof betreten, brach das Chaos aus. Eine Meute von Stallburschen eilte geschäftig hin und her und führte die Pferde weg. Die Diener stürzten sich förmlich auf die Fürsten, um ihnen ihr Gepäck abzunehmen. Ihre Begleiter beäugten sie kritisch, kamen dann aber wohl zu dem Schluss, dass sie es wert waren, beachtet zu werden. Julius trat vor und sprach ein paar Worte zur Begrüßung, wie man es von ihm erwartete, doch sein Versuch, höflich zu sein, ging im allgemeinen Durcheinander unter. Schließlich sprang er auf eine niedrige Mauer und brüllte über die Köpfe der Menge hinweg: „Ich freue mich, euch in Arida willkommen heißen zu dürfen“, er begriff, dass jedes weitere Wort verloren war und so fügte er nur noch hinzu, „in zwei Tagen, wenn ihr euch von der langen Reise erholt habt, wird der Kriegsrat stattfinden.“
Er war sich nicht sicher, ob ihn alle verstanden hatten, aber mehr konnte er nicht tun. Darum zuckte er nur mit den Schultern, winkte der Menge noch einmal zu und sprang von seinem Sockel herunter. Mit einem beinahe schadenfrohen Grinsen überließ er alles weitere Logis und dem dazueilenden Dalinius und zog sich mit Elaine in das Innere des Schlosses zurück.
Julius erzählt:
Ich erinnere mich noch gut an diesen Tag, den Tag, an dem Elaine zustimmte, meine Frau zu werden. Obwohl inzwischen viel Zeit vergangen ist, sehe ich sie noch immer deutlich vor mir: ihr ernstes Gesicht, das sich in dem letzten halben Jahr so sehr verändert hatte und nicht länger einem menschlichen Spiegelbild Larenias glich, und ihre blauen Augen, die nicht dunkel und geheimnisvoll, voller kühler Distanziertheit oder beängstigender Intensität waren, sondern hell, warm und strahlend schön. Ihr dunkler Mantel flatterte im Wind und noch heute rieche ich den Duft ihres Haares, der sich mit dem Geruch des Schnees und des alten Mauerwerks vermischte. Ich war so glücklich an diesem Tag. Jene Art von Glück, die beinahe schmerzhaft intensiv ist, so unwirklich und berauschend, dass man jeden
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