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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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ist mehr als genug.“
    Es stimmte, überlegte Merla, als sie über Arthenius’ Erklärung nachdachte. Sie hatte Larenia geholfen, weil es sich richtig angefühlt hatte. Klar und deutlich war die Erinnerung an das Gefühl, etwas Gutes zu tun. Die Angst war später gekommen, als sie begriffen hatte, dass sie nicht länger unabhängig und nur für sich leben konnte. Es war nicht die Verantwortung, die sie erschreckte, sondern die Abhängigkeit und die Tatsache, dass sie wieder einen Platz in der Gesellschaft, die sie nicht verändern konnte und die sie verachtete, einnehmen musste. Dann schob sie den Gedanken zur Seite und sah Arthenius an.
    „Was ist mit dir? Welchen Einfluss hat sie auf dich?“
    Er holte bereits Luft für eine Antwort, doch dann überlegte er es sich anders. Lächelnd schüttelte er den Kopf: „Keinen, zumindest nicht in diesem Sinn. Ich sehe in ihr weder Ideal noch Symbol. Es geht nicht um Macht oder Kontrolle und für mich muss sie keine Rolle spielen.“
    Sein Blick glitt an ihr vorbei und sein verklärter Gesichtsausdruck widersprach seinem harmlosen Tonfall.
    In diesem Moment erklang eine leise, sanfte und zugleich kühle Stimme hinter ihnen: „Hast du alles erfahren, was du wissen wolltest?“
    Erschrocken sprang Merla auf und stellte im gleichen Augenblick fest, dass sich keine Waffe in Reichweite befand. In halb geduckter, abwehrbereiter Haltung drehte sie sich um. Dann richtete sie sich mit überrascht aufgerissenen Augen auf: „Larenia!“, rief sie halb verärgert, halb erleichtert: „Hör bloß auf, dich so anzuschleichen.“
    Larenia achtete nicht auf sie. Stattdessen trat sie so nah wie möglich an das Feuer heran und strich sich mit einer etwas ungelenk wirkenden Bewegung das zerzauste Haar aus dem Gesicht.
    „Nun, was gibt es Neues?“, im Gegensatz zu Merla schien Arthenius nicht im Geringsten erstaunt zu sein. Mit einem warmen Lächeln sah er Larenia an, während Merla zu dem Schluss kam, dass es sich nicht lohnte, wütend zu werden. Stirnrunzelnd beobachtete sie, wie Larenia ihre Hände über den Flammen wärmte. Wahrscheinlich war ihr nicht einmal kalt, sie war nur zu unruhig, um sich still hinzusetzen. Schließlich drehte sie sich zu Arthenius und Merla um.
    „Ich habe den Weg über den Pass gesucht. Merla hatte recht, in diesem Sturm ist er kaum zu finden, aber noch ist er begehbar und der Pass ist trotz des Schnees frei“, sie sah Merla an, „doch wir müssen morgen aufbrechen, wenn wir nicht auf den nächsten Sommer warten wollen.“
    Seufzend nickte Merla: „Gut. Dann ruht euch aus, solange ihr es könnt. Ich werde Wache halten. Übrigens“, sie griff in ihre Manteltasche und drückte Larenia einen kleinen, metallischen Gegenstand in die Hand. Verwundert blickte die Gildeherrin auf das kleine Schmuckstück herab. Die weißgoldene Kette funkelte im Feuerschein und unwillkürlich schlossen sich ihre Finger um den Anhänger in Form eines siebenzackigen Sterns mit einem sorgfältig geschliffenen Edelstein in der Mitte. Das Wahrzeichen des Vereinigten Königreichs der Kandari.
    Fragend sah Larenia Merla an, aber diese lächelte nur. Es war das erste ehrliche Lächeln seit ihrer Begegnung: „Ich glaube, das gehört dir.“
     
    Die Nacht verging schnell und bereits im ersten Licht der Morgendämmerung verließen sie die Höhle in der felsigen Landschaft Noria Umbaras, um den Weg über das Gebirge zu suchen. In der Nacht hatte es so heftig geschneit, dass jede Orientierungshilfe unter einer dicken Schneedecke verborgen lag und das ganze Land verändert wirkte. Doch dieser Tag, der zehnte des Monats, war klar und schön. Zum ersten Mal seit Langem war der Himmel blau und wolkenlos und der strahlende Sonnenschein wurde vom Schnee blendend hell reflektiert.
    Unter Merlas Führung fanden sie schnell den richtigen Pfad. Schmal und steinig wand er sich entlang eines steilen Berghanges in die Höhe. Dennoch kamen sie nur langsam voran. Umso höher sie kamen, desto länger musste Merla nach dem Weg, der an vielen Stellen durch Steinschlag oder Auswaschungen zerstört war, suchen. Zudem war das Gelände tückisch. Ein einziger falscher Schritt genügte, um eine Lawine auszulösen.
    Zwei Tage lang wanderten sie stetig bergauf. Das Leben in der Wildnis hatte Merla abgehärtet und jetzt stapfte sie schweigend und beinahe trotzig von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang durch den hohen Schnee, ohne ihren Tagesmarsch zu unterbrechen. Larenia folgte ihr schnell und leichtfüßig, doch

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