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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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die manchmal mehr als kniehohen Verwehungen stellten für sie ein ernsteres Hindernis dar als für ihre beiden um einiges größeren Begleiter. Dazu kam, dass sie sich hilflos fühlte, solange sie ihre magischen Fähigkeiten nicht einsetzen konnte. Sie sagte nichts zu alldem, obwohl diese erzwungene Machtlosigkeit an ihren Nerven zehrte. Arthenius jedoch, der hinter ihr ging, konnte sie nicht täuschen. Er kannte sie gut genug, um ihre Gedanken und Gefühle zumindest zu erahnen, doch auch er schwieg. Mehr als einmal blieb er zurück und starrte den Weg entlang, den sie gekommen waren. Zwar hatte er Larenia davor gewarnt, ihre Kräfte hier einzusetzen, aber er hielt sich nicht an seine eigenen Worte. Er war lange genug bei den Bewahrern gewesen, um ihre Schwächen zu kennen und zu wissen, wie man sie täuschen konnte. So suchte er auf ihrem Pfad vor und hinter ihnen nach Gefahren. Allerdings sah es bisher so aus, als wäre seine Besorgnis übertrieben.
    Am Nachmittag des dritten Tages erreichten sie den höchsten Punkt des Passes. Am Morgen hatten sie den Abgrund, an dem sie bisher entlanggelaufen waren, verlassen, denn von hier an führte der Weg zwischen zwei hohen, eng beieinanderstehenden Felswänden hindurch. Plötzlich jedoch traten sie zwischen den Felsen hervor in das rötliche Sonnenlicht des späten Nachmittags. Links und rechts von ihnen erhoben sich die Berge des Grenzgebirges und der Wind fegte beißend und eisig kalt über das Hochplateau, zerrte an ihren Mänteln und zerzauste ihr Haar. Und vor ihnen lag, halb verborgen durch die tief hängenden Wolken, Hamada.
    Unter ihnen, noch mehr als einen Tagesmarsch entfernt, erstreckte sich das Grün der Wälder, die noch zum Grenzland gehörten, und dahinter lag die scheinbar endlose Wüste von Hamada. Lange standen sie so da, ohne sich um den Wind oder die Kälte zu kümmern. Unbewusst, ohne es wirklich zu merken, hatte Larenia das Schmuckstück, das Merla ihr gegeben hatte, das Wahrzeichen des Vereinigten Königreiches der Kandari, aus ihrer Manteltasche gezogen. Jetzt drehte sie den sternförmigen Anhänger gedankenverloren zwischen ihren Fingern, während sie auf die tief unter ihnen liegende Landschaft herabblickte. Sie bemerkte nicht, dass Arthenius neben sie trat, und sie erschrak, als er ihr die Kette aus der Hand nahm. Bewegungslos stand sie da und starrte abwechselnd auf ihre Hände und in sein Gesicht. Erst als er ihr Haar zur Seite schob und das Weißgold ihre Haut berührte, reagierte sie.
    „Was tust du da? Ich habe kein Recht mehr –“
    „Das Zeichen des Thronerben zu tragen?“, sanft und zugleich sehr bestimmt sah er sie an. „Hast du nicht gesagt, du hältst deine Eide?“
    Sie nickte, ohne zu verstehen, was er ihr sagen wollte.
    „Ich habe nie gehört, dass du öffentlich deinen Anspruch auf den Thron aufgegeben hast.“
    „Ich wurde verbannt.“
    Arthenius zuckte mit den Schultern und sein Blick wurde hart: „Na und? Vielleicht können die Bewahrer dir deine Titel nehmen, doch das ändert nichts an deiner Identität. Du bist noch immer Larenia von Hamada, die Tochter des Königs.“
    „Das will ich nicht, das wollte ich nie“, während sie sprach, wich sie vor ihm zurück. Aber sie kam nicht weit. Mit zwei schnellen Schritten holte Arthenius sie ein. Er fasste nach ihren schmalen Schultern und hielt sie fest: „Wen interessiert, was du willst?“, noch immer sah er sie kalt und unerbittlich an. Er wusste, dass er zu weit ging, dass sie diesen Teil der Wahrheit nicht hören wollte. Und trotzdem war es notwendig.
    „Du hast dich nicht den Bewahrern, sondern dem Volk verpflichtet. Nur das Volk kann dich von deinem Schwur entbinden, und bis sie das tun, wirst du deine Pflicht erfüllen. Verstehst du denn nicht?“, er ließ sie los und sein Blick wurde weich: „Ob du es willst oder nicht, du hast noch immer Macht und Einfluss in Hamada, die das Verständnis der Bewahrer übersteigen. Wir können auf diesen Vorteil nicht verzichten.“
    Einen Augenblick lang standen sie sich gegenüber, dann drehte Arthenius sich um und blickte wieder auf das noch immer weit entfernte Grün und Braun seiner Heimat herab.
    „Du irrst dich, Arthenius“, leise und sehr sicher erklang ihre Stimme hinter ihm. Sie ging an ihm vorbei, überlegte es sich anders und wandte sich noch einmal um: „Die einzige Macht, die mir vielleicht geblieben ist, ist der Einfluss auf das Gewissen meines Vaters. Das ist alles.“
    Sie drehte sich um, warf ihm noch einen

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