Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
nicht einmal auf, als Merla sich neben ihm zu Boden sinken ließ.
„Du lässt sie tatsächlich allein durch diesen Sturm rennen?“
Er hörte deutlich die Missbilligung in ihrer Stimme, doch er reagierte nur mit einem leichten Lächeln.
„Larenia ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen. Außerdem“, fügte er hinzu und erst jetzt drehte er den Kopf in Merlas Richtung, „gibt es hier nichts und niemanden, das für sie gefährlich sein könnte.“
Er lächelte noch immer und jetzt wirkte er eindeutig belustigt.
„Bist du dir sicher?“
„Vollkommen“, er zog die Beine an und stützte sein Kinn in die linke Hand, „glaubst du, ich würde sonst hier sitzen bleiben? Also sieh mich nicht so sorgenvoll an.“
Merla seufzte und blickte in die Flammen. Sie hätte viel dafür gegeben, sich ebenso sicher sein zu können. Schließlich, nach langem Schweigen, sagte sie: „Sie hat sich sehr verändert.“
Sie sah zu Arthenius, der sie noch immer voll aufmerksamer, gutmütiger Freundlichkeit beobachtete. Jetzt hob er die Schultern: „Das könntest du von uns allen behaupten.“
„So habe ich das nicht gemeint“, schaudernd dachte sie an den kühlen, vollkommen emotionslosen Blick der Gildeherrin. Sie schlang die Arme um die Knie, dann flüsterte sie: „Sie macht mir Angst“, ihre Stimme zitterte und sie schlug die Augen nieder, „früher wusste ich, wie weit sie gehen würde, um ihre Ziele zu erreichen. Jetzt scheint sie vor nichts mehr zurückzuschrecken. Die Larenia, die ich kannte, wusste, was Skrupel und Furcht bedeuten. Nun aber gibt es für sie keine Grenzen, keine Kompromisse mehr. Doch das ist es nicht allein“, sie verstummte. Eine Weile saß sie schweigend und nachdenklich da. Sie suchte nach Worten, bevor sie stockend weitersprach, „ich habe Angst vor dem, was sie von mir verlangen könnte. Larenia ist mächtiger, als es die Bewahrer jemals waren, und ich habe nicht die Kraft, mich zu widersetzen. Ich habe es versucht, ich wollte ihr nicht helfen, doch letztendlich blieb mir keine Wahl. Ich glaube nicht, dass sie es beabsichtigt, wahrscheinlich merkt sie es nicht einmal. Früher war sie bei Weitem nicht so stark. Heute könnte sie, wenn sie es wirklich will, jeden kontrollieren.“
Zögernd wandte sie sich Arthenius zu, der sie noch immer mit der gleichen ruhigen Aufmerksamkeit ansah. Er versuchte nicht einmal, ihr zu widersprechen. Merla hatte es auch nicht erwartet. Sie wusste nicht, was sie sich von diesem Gespräch versprochen hatte. Bereits jetzt hatte sie ihm mehr verraten als geplant und noch immer ruhte sein sonderbar prüfender Blick auf ihrem Gesicht.
„Wenn du willst“, sagte er mit seiner angenehmen, warmen Stimme, „kann ich dir helfen, dich abzuschirmen. Ich war lange genug bei den Bewahrern und sie kennen viele Wege, sich vor dem Zauber der Könige zu schützen.“
In diesem Augenblick wurde Merla bewusst, dass Arthenius durchaus seine eigenen Ziele verfolgte und dass diese nicht immer mit Larenias Vorstellungen übereinstimmten. Sie hatte ihn nie richtig verstanden, es war ihr bisher auch egal gewesen. Jetzt dachte sie über sein Angebot nach. Der Gedanke war verlockend, doch schließlich schüttelte sie den Kopf: „Nein. Larenia hatte recht, weißt du. Ich habe dem rechtmäßigen König Treue geschworen, und solange sie sich an ihren Eid hält, werde ich mein Versprechen nicht brechen. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst“, sie sah wieder zu Arthenius und plötzlich funkelte sie ihn verärgert an, „du denkst, dass ich mich nur rechtfertigen will, dass ich nur einen Weg suche, Larenia die Verantwortung zuzuschieben. Aber so ist es nicht.“
„Das habe ich auch nicht behauptet“, er sprach noch immer sanft, ausgeglichen und ohne sich um Merlas streitlustigen Tonfall zu kümmern, „aber ich möchte, dass du eins verstehst: Larenia kann dich nicht gegen deinen Willen beeinflussen, zumindest nicht auf diese Weise. Alles, was dich in deinen Handlungen bestimmen kann, ist, was du in ihr siehst.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Nein?“, er verharrte einen Augenblick lang mit nachdenklich zusammengezogenen Augenbrauen und überdachte seine nächsten Worte. „Die meisten sehen in ihr, ebenso wie du, ein Symbol, ein Ideal, dem sie sich verschworen haben und dem sie folgen und nacheifern können. Darauf beruht ihr ganzer Einfluss, den sie auf dich, Pierre, Philipus und all die anderen hat.“
Ungläubig blinzelte sie ihn an: „Das ist alles?“
„Es
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