Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
Anforderungen der Moral auf der anderen. Sie hatte weder deine Kraft noch deinen Idealismus, sie hatte nichts außer ihrem Ehrgeiz.“
Langsam hob Larenia den Blick und für einen kurzen Augenblick glaubte Arthenius, hinter der eisigen Fassade, die sie um sich herum aufgebaut hatte, einen Hauch von Traurigkeit aufglimmen zu sehen.
„Ich weiß es, Roxana, und mir liegt nichts an diesem Streit.“
Man sah der Heerführerin deutlich an, dass sie mit dieser Antwort nicht viel anfangen konnte. Schulterzuckend drehte sie sich noch einmal mit hoch erhobener Fackel um, dann ging sie mit vorsichtigen, kleinen Schritten los. Larenia und Arthenius folgten ihr vollkommen lautlos.
Der Gang zog sich endlos hin. Schnell ließen sie das verblassende Tageslicht und die Straßengeräusche zurück, als sie immer tiefer in den Palast vordrangen. Je weiter sie gingen, desto besser erhalten erschienen die Mauern. Auch die Spinnenweben und der Sand blieben allmählich zurück. Das einzige Licht stammte von Roxanas Fackel, doch ab und zu drangen leise Stimmen aus den angrenzenden Räumen. Jedes Mal blieben sie erschrocken stehen und warteten mit angehaltenem Atem, bis sie sich sicher waren, dass niemand sie bemerkt hatte. Endlich erreichten sie den bewohnten Teil des Palastes. Ein mit Säulen verzierter Durchgang verband den Tunnel mit einer großen Halle. An der gegenüberliegenden Seite gab es eine schmale Holztür, die in den Thronsaal führte. Roxana warf einen flüchtigen, zugleich sehr wachsamen Blick durch den leeren Raum, dann trat sie zurück in den Schatten des Ganges.
„Ihr habt euer Ziel fast erreicht. Geht durch die Halle und hinter dieser Tür“, sie deutete auf die gegenüberliegende Wand, „findet ihr den Thronsaal. Laurent wird da sein, zusammen mit vier Bewahrern“, sie trat einen weiteren Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Tunnelwand, „ich werde euch nicht weiter begleiten“, noch einmal hob sie die Fackel zwischen ihnen in die Höhe, sodass der Feuerschein auf die Gesichter ihrer Begleiter fiel. Sie schenkte Arthenius ihr sehr seltenes Lächeln und für einen kurzen Moment wurde der Blick ihrer sonst stahlharten Augen beinahe weich, dann sah sie Larenia an und die ungewohnte Weichheit wich kühlem Respekt: „Viel Glück. Ihr werdet es brauchen“, sie hatte Larenia mit ihren ungeheuren Fähigkeiten immer misstraut, doch irgendetwas in ihrer Stimme verriet die ehrliche Hoffnung, dass sie Erfolg haben würde. Larenia, die das sehr deutlich fühlte, antwortete nicht, aber sie dankte der Heerführerin mit einer knappen Verbeugung, eine Geste, die bei ihr ebenso selten war wie Roxanas Lächeln. Leises Erstaunen zeichnete das Gesicht der Kriegerin, als sie sich abwandte und eilig davonging. Schnell verblasste das rötliche Fackellicht und Larenia und Arthenius blieben allein im Halbdunkel des Durchganges zurück.
„Kennst du einen der Bewahrer im Thronsaal?“, sachlich und emotionslos sah Larenia zu Arthenius auf. Dieser starrte konzentriert ins Leere, bevor er langsam nickte: „Valerian, ja“, er verzog die Lippen zu einem freudlosen Lächeln, „einst war er mein Freund, aber er wird uns nicht helfen. Bestenfalls verhält er sich neutral.“
Sie seufzte: „Nun gut“, sie schob die Kapuze ihres Mantels zurück und schüttelte den Kopf. Ihr weißes Haar funkelte verräterisch im Dämmerlicht und Arthenius bemerkte überrascht, dass sie zum ersten Mal seit beinahe dreihundert Jahren offen das Zeichen des Thronfolgers trug.
„Du musst mich abschirmen gegen den Einfluss der Bewahrer“, der kühle Klang ihrer Stimme rief ihn zurück in die Wirklichkeit. Er sah in ihre dunklen blauen Augen, die seinen Blick mit ernster Eindringlichkeit erwiderten. „Versprich mir, dass du dich nicht einmischen wirst. Du wirst nicht versuchen, mir zu helfen, egal was auch passiert.“
Er antwortete nicht sofort. Forschend blickte er in ihr Gesicht. In Augenblicken wie diesen hatte er das Gefühl, dass das Schweigen und die Kälte, in die sie sich hüllte, nicht so undurchdringlich waren, wie es schien. Aber nichts in ihrer ruhigen, beherrschten Miene bestätigte seinen Verdacht.
„Ich verspreche es“, sagte er leise, aber in diesen wenigen Worten lag eine sonderbare Endgültigkeit.
Er griff nach ihren schmalen Händen und schloss die Augen. Einen Moment später fühlte sie die warme, beschützende Berührung seiner Gedanken, als er seine Gabe nutzte, um sie in einen magischen Schutzschild
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