Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
„aber Silvano hat recht. Ich habe noch keinen Plan“, er wandte sich wieder an Herrik, „tatsächlich ist das der Grund, aus dem ich euch zusammengerufen habe. Wie gelangen wir nach Anoria? Auf welche Weise wollen wir gegen das Regime kämpfen? Und was geschieht in dieser Zeit in Laprak? Darüber sollten wir nachdenken.“
„Und ob wir überhaupt auf diese Weise kämpfen wollen“, warf Turmaan ein, „denn ehrlich gesagt bin ich mir da noch nicht sicher.“
Zustimmendes Nicken antwortete ihm. Pierre unterdrückte ein Seufzen. Er wusste, dass er sehr viel von diesen Menschen verlangte. Innerhalb kürzester Zeit mussten sie ihre Vorurteile überwinden und eine Entscheidung treffen, die nicht nur ihr Leben verändern würde. Er konnte sie nicht zwingen.
„Wie blind seid ihr eigentlich?“, Zora baute sich neben Pierre auf, stemmte die Hände in die Hüften und sah die anderen mit blitzenden Augen an, „ihr lasst euch so sehr von der Propaganda der Druiden beeinflussen, dass ihr diese einmalige Chance verspielt.“
„Ja“, knurrte der Kaufmann zurück, „und wenn wir versagen, landen wir alle zusammen in Andra’graco. Dass es dem Kandari gelungen ist, zu fliehen, bedeutet nicht, dass wir genauso viel Glück haben werden.“
„Es ist eine schwierige Frage“, warf Xarat in versöhnlichem Tonfall ein, „ich glaube nicht, dass wir sie heute Abend lösen können. All diese Ideen sind für uns neu, Pierre, und wir brauchen etwas Bedenkzeit.“
„Bedenkzeit“, wiederholte Pierre und starrte den Arzt ungläubig an, „aber ihr wisst schon, wie wenig Zeit uns noch bleibt? Ende dieses Monats soll die Flotte auslaufen.“
„Nun reg dich nicht auf“, Crotte lehnte sich zurück und musterte den Kandari, doch das Misstrauen in seinem Gesicht war einer vorsichtigen Sympathie gewichen, „dadurch wird es nicht besser. Außerdem brauchen wir mehr Informationen, wenn wir unser Vorgehen planen wollen.“
Ein langes, gespanntes Schweigen folgte diesen Worten. Schließlich räusperte sich Herrik: „Also gut. Wir treffen uns hier in drei Tagen. Bis dahin hat jeder von uns seine Entscheidung getroffen. Zudem brauchen wir Schlachtpläne, Informationen über die Aufstellung der Armee und darüber, wer in Laprak zurückbleiben wird“, er lauschte einen Moment, dann drehte er sich zu Zebu um, „Wachablösung. Wir müssen zurück.“
Die beiden standen auf und verließen den Raum. Auch der Rest der Versammlung löste sich schnell und nahezu lautlos auf. Aber als Ika den Raum verlassen wollte, hielt Zora sie zurück: „Du wirst Pierre begleiten. Das ist sicherer für euch beide und niemand wird dir“, sie warf Pierre einen bedeutungsvollen Blick zu, „Fragen stellen, wo du gewesen bist.“
Ika zuckte mit den Schultern und griff nach ihrem Mantel. Gemeinsam verließen sie Zoras Haus.
Eine Weile gingen sie schweigend durch die leeren, schlecht beleuchteten Straßen. Ika schmiegte sich wieder an Pierres Arm, doch dieses Mal wirkte ihr Verhalten nicht aufdringlich. Im Gegenteil, nachdenklich und beinahe schüchtern musterte sie ihren Begleiter.
„Darf ich dich etwas fragen, Pierre?“
Mit einem leichten, halb spöttischen Lächeln sah er auf das Mädchen an seiner Seite herab: „Natürlich.“
Sie hörte deutlich den ironischen Unterton in seiner Stimme und es verunsicherte sie: „Bitte, ich meine es ernst“, im schwachen Licht der Laternen sah sie, wie er sein Lächeln unterdrückte, „wie viel von dem, was uns die Druiden über dein Volk erzählt haben, ist wahr? Stimmt es zum Beispiel, dass die Kandari unsterblich sind?“
Pierre lachte leise, rang sich aber sofort eine sachliche Miene ab, als er Ikas Stirnrunzeln bemerkte: „Schön wäre es, aber es stimmt nicht. Wir altern nicht wie die Menschen, das ist richtig. Doch wir können ebenso sterben wie ihr. Krankheiten und Verletzungen töten die Kandari und einige wollen einfach nicht mehr leben und diese altern und sterben ebenfalls“, er zuckte mit den Schultern, „du siehst, so verschieden sind wir nicht.“
Ika überhörte seinen letzten Satz und fragte weiter: „Aber was ist mit euren Kräften? Ich habe gehört, die Kandari könnten alles Mögliche geschehen lassen, allein durch ihre Gedanken.“
„Das können eure Druiden doch auch.“
Sie bogen in eine größere, belebte Straße ein. Sofort zog Ika in ihrer leichten Bekleidung die Aufmerksamkeit der Männer, die hier unterwegs waren, auf sich. Neidische Blicke und anzügliches Pfeifen
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