Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
Beschwerden von den Ärzten erhalten“, bemerkte der Brochonier in möglichst beiläufigem Tonfall, „sie sagen, es geschehen zu viele Trainingsunfälle“, Collyn zog einen Zettel aus seiner Manteltasche, „Prellungen, Schnittwunden, Quetschungen, Gehirnerschütterungen, ausgeschlagene Zähne und gebrochene Knochen“, er faltete das Blatt Papier zusammen und sah Pierre an, „die Liste lässt sich durchaus fortsetzen. Dir ist schon klar, dass du die Rekruten im bewaffneten Kampf ausbilden sollst? Du sollst sie nicht umbringen.“
Pierre gab ein unverständliches Grummeln von sich und beschleunigte seine Schritte, Collyn jedoch konnte ihm mühelos folgen.
„Was ist mit dir los? Warum bist du so wütend? Die Soldaten, die du unterrichtest, haben dir doch nichts getan.“
„Umso eher sie begreifen, dass dies kein Spiel ist, desto besser für sie.“
„Und darum versuchst du, sie umzubringen?“, kritisch sah Collyn den Kandari an. Dieser zuckte ungeduldig mit den Schultern und öffnete die Tür zum Essenraum. Lärm und helles Licht empfing sie hier. Sie drängten sich durch den überfüllten Raum zu einem freien Ecktisch. Collyn setzte sich, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und wartete, bis auch Pierre sich hingesetzt hatte. Schließlich, nachdem sie sich eine Weile schweigend angestarrt hatten, zog er erneut seine Liste mit Übungsunfällen aus der Tasche und hielt sie dem Kandari unter die Nase.
„Weißt du, dass man das als Sabotage bezeichnen könnte?“, Pierre zog zweifelnd die Augenbrauen hoch, Collyn jedoch ignorierte seinen skeptischen Blick. „Was ist geschehen? So gereizt habe ich dich noch nie erlebt.“
„Du wärest auch gereizt, wenn dir die Zeit davonläuft“, er beugte sich vor und sah den Brochonier scharf an, „und deine Verbündeten ihre Zeit mit Zweifeln vergeuden.“
„Ah“, ein wissendes Lächeln glitt über Collyns Gesicht, „das Treffen mit dem Untergrund.“
„Untergrund?“, beißender Sarkasmus sprach aus jedem Wort des Kandari. „Jeder Viehmarkt ist besser organisiert! Wenn das ein repräsentatives Beispiel für die Gestaltung des Widerstandes ist, wundert es mich, dass es euch überhaupt noch gibt.“
„Pierre …“, begann Collyn in besänftigendem Tonfall, aber er wurde sofort unterbrochen.
„Ich habe Larenia geschworen, euch zu helfen. Doch da habe ich noch nicht gewusst, dass sie Unmögliches von mir verlangt. Weißt du, was sie getan haben?“, Collyn schüttelte den Kopf, obwohl er sich nicht sicher war, dass Pierre es bemerkte. „Ich biete ihnen die Möglichkeit, die Druiden endlich auszuschalten und sie zweifeln an meiner Aufrichtigkeit. Welches Motiv hätte ich denn, sie zu betrügen? Ich riskiere täglich mein Leben, um ihnen zu helfen.“
Collyn verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn geduldig an: „Bist du fertig?“
Pierre nickte: „Vorläufig.“
„Gut. Dann möchte ich dir jetzt etwas erzählen, das nützlich für dich sein könnte“, er atmete tief durch und versuchte, eine bequemere Position auf seinem Stuhl zu finden, „du bist ein Kämpfer. Und es liegt in deiner Natur, die Dinge zu hinterfragen und zu rebellieren. Bei Herrik und den anderen ist das nicht der Fall“, Collyn bemerkte, wie sich in die ungehaltene Miene des Kandari Interesse mischte. Er hob die Schultern und fuhr in verändertem Tonfall fort: „Jeder von ihnen hat Furchtbares erlebt, Dinge, die sie am System zweifeln ließen und sie schließlich zum Widerstand führten. Herrik zum Beispiel. Er hatte drei Kinder, die er über alles liebte. Vor ein paar Jahren brach eine schreckliche Seuche aus und sie erkrankten. Für die Druiden wäre es leicht gewesen, ihnen zu helfen, doch sie weigerten sich. Herriks Kinder starben ebenso wie unzählige andere und seitdem arbeitet er für den Widerstand und verfolgt die Anhänger des Regimes mit allen möglichen Mitteln. Und Karamet … Er war früher ein reicher Kaufmann, aber wegen einer falschen Anschuldigung wurde er enteignet. Seitdem lebt er in Armut und verwendet alles, was ihm geblieben ist, um andere vor dem Verhungern zu bewahren“, er verstummte als Pierre nachdenklich die Stirn runzelte und an ihm vorbeiblickte.
„Trifft das wirklich auf jeden von ihnen zu?“
„Mehr oder weniger“, Collyn lehnte sich wieder zurück, „Ikas Geschichte kenne ich nicht. Sie ist sehr jung und noch nicht so lange dabei. Aber all die anderen haben sehr viel verloren, bevor sie die Kraft fanden, sich dem Untergrund
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