Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
Wand lehnte.
„Ich habe über das, was du mir berichtet hast, nachgedacht“, langsam und ohne jede Spur von Unruhe oder Neugier sah Larenia zu ihm auf, ein Blick, der den König der Kandari zutiefst verunsicherte. Sie sagte kein Wort, sie wartete einfach nur ab und schließlich sprach Laurent weiter: „Es tut mir leid, Larenia. Ich glaube nicht, dass ich dir und den Menschen helfen kann.“
Er unterbrach sich und wartete auf eine Antwort. Alles, jede Reaktion wäre ihm lieber gewesen als dieses unüberwindbare, verstörende Schweigen. Nichts in ihrer Haltung oder ihrem Gesichtsausdruck änderte sich. Unverwandt sah sie Laurent an, dem es nicht gelang, sich von ihrem durchdringenden Blick loszureißen. Und obwohl sie noch immer kein Wort gesprochen hatte, hatte er das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen.
„Unser Volk stirbt, Larenia. Du siehst es vielleicht nicht und es ist auch nicht unsere Zahl, die abnimmt. Aber unsere Fähigkeiten schwinden. Weißt du, wie viele Telepathen in den letzten hundert Jahren geboren wurden? Ihre Anzahl ist sehr überschaubar“, er sprach lauter und schneller, als müsse er nicht nur Larenia, sondern auch sich selbst überzeugen. „Es gibt nur noch wenige wie Arthenius oder dich. Wir können es uns nicht leisten, dieses letzte Überbleibsel unserer Macht zu verlieren.“
„Wäre das wirklich so schlimm?“, fragte sie mit leiser, tonloser Stimme, sodass Laurent sich anstrengen musste, um sie zu verstehen. Es lag keinerlei Bitterkeit in ihren Worten, kein Vorwurf, keine Anklage. Laurent wusste, dass manche Kandari keinen Wert auf ihre Fähigkeiten legten, aber es entsetzte ihn, dies ausgerechnet von Larenia zu hören.
„Wir würden unsere Identität verlieren. Was bleibt von uns übrig, wenn wir unsere Kräfte einbüßen? Was unterscheidet uns dann noch von den Menschen? Nichts! Wir könnten nicht überleben“, mit einer fahrigen Bewegung strich er sich das kurze, blonde Haar aus dem Gesicht, „das Wohlergehen des Volkes zu sichern ist meine Aufgabe. Es ist nicht so, dass ich dir oder den Anorianern nicht helfen möchte, doch ich kann es nicht. Meine Pflicht liegt bei meinem Volk und ich werde den Frieden wahren, solange es möglich ist. Auch ich habe einen Eid geschworen und ebenso wie du halte ich meine Versprechen.“
Laurent sah seine Tochter an. Er suchte nach irgendeinem Zeichen der Zustimmung, der Ablehnung oder auch nur des Verständnisses, aber da war nichts. Kein Mitgefühl, weil sie nicht mehr wusste, was Mitgefühl bedeutete, keine Anteilnahme. Nichts. Nur noch absolute, leidenschaftslose, bedingungslos rationale Vernunft. Und das war schlimmer als jeder Streit und jede Beschuldigung.
„Es ist nicht so, dass ich Angst davor habe, zu kämpfen“, erklärte der König, „wenn es wirklich um unser Überleben ginge, würde ich nicht zögern, das Heer zu sammeln und in den Krieg zu ziehen. Doch ich glaube nicht, dass du uns wirklich brauchst. Im Gegenteil, ich denke, du bist nicht einmal auf die Anorianer oder den brochonischen Widerstand angewiesen.“
„Du irrst dich, Laurent“, selbst ihre Stimme klang hart und unerbittlich, als sie zu ihm aufsah, „vielleicht kann ich die Druiden allein besiegen, aber ich kann weder das brochonische Heer mit einer Handbewegung verschwinden lassen noch die Jahrhunderte der Entfremdung, der Propaganda und der Vorurteile auslöschen. Du willst Frieden?“
Laurent nickte langsam.
„Dann sorge dafür, dass dieser Konflikt endlich beendet wird. Vielleicht ist es deine einzige Möglichkeit.“
Sie richtete sich auf und wollte gehen, doch er folgte ihr und hatte sie bereits nach wenigen Schritten eingeholt.
„Selbst wenn ich dazu bereit wäre, was erwartest du?“, er trat vor sie, hinderte sie so am Weitergehen und zwang sich zu einem ruhigen, sachlichen Tonfall: „Der Schnee schmilzt, der Winter ist zu Ende und die Brochonier werden sehr bald angreifen. Ich könnte niemals rechtzeitig in Anoria sein, nicht, wenn ich vorher das Heer sammeln will.“
Larenia zuckte mit den Schultern: „Das ist dein Problem. Sprich mit Sibelius, zusammen werdet ihr einen Weg finden“, sie drehte sich um und verschwand sehr schnell im Schatten der Häuser.
Laurent sah ihr lange nach. Vielleicht hatte Larenia recht und er konnte die Kandari nicht allein durch Abwarten retten. Er würde mit Sibelius sprechen. Möglicherweise konnte ihm der Heerführer einen Rat geben, denn allein, das wurde Laurent immer deutlicher bewusst, fand er
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