Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
keinen Weg aus seiner Passivität.
Seufzend kehrte der König zu seinen Leibwächtern zurück. Er hatte gehofft, Larenia würde ihn und seine Handlungsweise verstehen und ihm verzeihen. Immerhin hatte sie selbst sehr viel riskiert, um ihren Schwur zu erfüllen. Jetzt musste er erkennen, dass sie es niemals verstehen würde, ebenso wenig wie Zarillia seine Wahl akzeptiert hatte. Er blickte auf sein Leben zurück, auf all die Entscheidungen, die ihn hierhergeführt hatten. Stets hatte er versucht, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Er wollte seinem Volk und auch sich selbst Kämpfe ersparen. Daher hatte er nicht versucht, Zarillia zurückzuhalten, deshalb war er die Marionette der Bewahrer geworden und hatte schließlich sogar seine eigene Tochter zu einem Leben im Exil verurteilt. War all das umsonst gewesen? War es denn ein Fehler, sich ein Leben in Ruhe und Frieden zu wünschen? Laurent wollte es nicht glauben, er konnte es nicht, wollte er nicht verzweifeln. Und dennoch schien es jetzt, als müsse er kämpfen, wollte er die Zukunft der Kandari sichern und den letzten Rest seiner Selbstachtung behalten.
Am Nachmittag des gleichen Tages saß Laurent im Thronsaal des Palastes. Bereits seit einiger Zeit wartete er auf Sibelius und noch immer war er sich nicht sicher, wie genau er handeln wollte.
In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und der oberste Heerführer betrat die Halle. Mit schnellen, entschlossenen Schritten näherte er sich dem Thron, doch dann blieb er in respektvoller Entfernung stehen und verbeugte sich.
„Mein Herr, Ihr ließet mich rufen?“, dabei widersprach sein neugieriger Tonfall seiner demütigen Haltung. Laurent, der das deutlich sah, runzelte die Stirn, entschloss sich dann aber, nicht darauf einzugehen: „Allerdings“, er richtete sich in seinem Sessel auf und sah Sibelius mit angespanntem Gesichtsausdruck an, „du kennst Larenias Plan. Du weißt, warum sie hier ist.“
Es war eine Feststellung, keine Frage, dennoch nickte Sibelius: „Einen Teil des Plans, ja.“
„Und was denkst du darüber?“
Der Heerführer hob die Schultern: „Es ist eine gute Idee“, ein wissendes Lächeln huschte über sein Gesicht, „allerdings bezweifle ich, dass Larenia uns alle Details mitgeteilt hat. Normalerweise sagt sie nicht mehr als unbedingt notwendig“, er verstummte und es entstand eine lange, unangenehme Pause.
„Was, glaubst du, soll jetzt passieren?“, fragte der König schließlich in die bedrückende Stille. Sibelius strich sich nachdenklich über das Kinn und kam etwas näher.
„Sammelt das Heer“, sagte er endlich mit fester Stimme, „wir können diesem Konflikt nicht ewig ausweichen. Krieg liegt vor uns, ob jetzt oder in hundert Jahren, ist unsere einzige Wahlmöglichkeit. Doch bevor Ihr Euch entscheidet, bedenkt, dass wir nicht mehr das große, mächtige Volk von einst sind. Zusammen mit den Menschen finden wir vielleicht eine Lösung.“
„Du klingst schon genauso wie Larenia“, Laurent seufzte, „wahrscheinlich habt ihr beide recht. Doch ich fürchte, es ist bereits zu spät. Selbst wenn ich morgen Boten aussende, um die Armee zusammenzurufen, werden wir kaum rechtzeitig in Anoria eintreffen. Der einzige Dienst, den wir den Menschen dann erweisen können, ist, die Aasgeier zu vertreiben.“
Sibelius überdachte Laurents Worte einen Augenblick lang mit geschlossenen Augen, dann schüttelte er langsam den Kopf: „Ihr irrt Euch, mein König.“
Fragend zog Laurent die Augenbrauen hoch und sah in das Gesicht seines Heerführers. Dieser hob den Kopf und erwiderte den Blick des Königs mit seinen dunkelbraunen, erstaunlich menschlich wirkenden Augen: „Wir könnten nicht rechtzeitig in Askana sein, das ist richtig, aber wir können die Menschen auf andere Weise unterstützen. An der Grenze zwischen Ariana und Aquanien hat sich ein großes Heer gesammelt, das den Anorianern in den Rücken fallen wird und so den Kampf entscheiden könnte, mit oder ohne den brochonischen Druiden. Wenn es uns gelingt, diese Streitmacht der Brochonier zu besiegen, haben die Menschen in Askana eine sehr realistische Chance, den Rest der Armee zu schlagen.“
Müde und resigniert blickte der König an Sibelius vorbei ins Nichts. Er fürchtete sich vor der Entscheidung, die er, wie er genau wusste, jetzt treffen musste. Schließlich richtete er seinen Blick wieder auf die große, kräftige Gestalt des Heerführers und mit einer sichtbaren Willensanstrengung gelang es ihm, zu
Weitere Kostenlose Bücher