Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
Vom Netzwerk:
ausgeliefert. Sie sind nicht gerade für ihr Mitgefühl mit ihren Feinden bekannt.“
    Ungerührt zuckte François mit den Schultern: „Wir halten sie bis zum Abend auf. Vielleicht werden sie auf den nächsten Morgen warten, bevor sie ihren Angriff fortsetzen. Das verschafft uns Zeit, um zu fliehen“, er sah Julius auf schwer zu deutende Weise an, „du hast von Anfang an gewusst, dass die Schlacht verloren ist.“
    Er wartete die Antwort des Prinzen nicht ab. Stattdessen griff er nach einem der Bögen, die an der Wand des Wachturms lehnten, und kletterte auf die Mauer.
    Seufzend sah Julius ihm nach. François hatte recht, das wusste er und dennoch hatte er gehofft, sich verzweifelt gewünscht, dass es doch noch einen anderen Weg geben würde.
    Endlich brach die Dämmerung herein. Das Tageslicht schwand rasch und bald war es zu dunkel zum Schießen. Schließlich gab Julius den Befehl zum Rückzug. Von den zweihundert Soldaten, die zu Beginn des Angriffes in den Kampf gezogen waren, hatten nur hundert überlebt. Hundert Mann, die jetzt nass, erschöpft und zum Teil verwundet in den Palast zurückkehrten. Zwar brachen die Brochonier das Tor auf, doch wie François es vorhergesagt hatte, folgten sie den Anorianern nicht sofort.
    Als sie dieses Mal in das Schloss zurückkehrten, fanden sie Julien im Keller des Schlosses im Taktikraum, in dem der letzte Kriegsrat stattgefunden hatte. Ein Großteil der Soldaten der königlichen Garde war bei ihm. Sie hatten die Bänke an die Wände geschoben und die Waffenstapel an den Wänden schienen höher geworden zu sein.
    Als Julius und François, dicht gefolgt von Dalinius und Raffi, eintraten, war Julien in eine Diskussion mit Tarak vertieft. Sie beugten sich über einen Stadtplan von Arida und schienen das Eintreten des Prinzen nicht zu bemerken.
    Julius drängte sich durch den überfüllten Raum und blieb neben seinem Vater stehen.
    „Der innere Ring ist gefallen“, sagte er mit leiser, niedergeschlagener Stimme, „den Brochoniern steht nun auf dem Weg zum Schloss nichts mehr im Weg.“
    Julien nickte langsam und nicht sonderlich überrascht: „Dann bleibt uns noch diese Nacht. Und vielleicht der nächste Tag, wenn François recht hat und die Brochonier einen vollständigen Sieg wollen.“
    „Dann sollten wir jetzt gehen!“ Julius ergriff den Arm seines Vaters und wollte loslaufen, doch Julien bewegte sich nicht. „Vater!“, Hast und Furcht schwangen in der Stimme des Prinzen mit, „wir müssen fliehen.“
    Der König lächelte und schüttelte den Kopf: „Nein, mein Sohn“, er befreite sich aus Julius’ Griff und trat einen Schritt zurück, „du wirst fliehen. Ich aber, ich werde bleiben.“
    „Vater!“, erschrocken starrte ihn Julius an, „das kannst du nicht tun. Du bist der König von Anoria. Was soll aus uns werden, wenn du stirbst?“
    Ernst und eindringlich betrachtete Julien sein Gesicht, das wie ein jüngeres Abbild seines eigenen Antlitzes aussah: „Mein Königreich ist zerstört. Alles, wofür ich gelebt habe, ist vernichtet und ich habe nicht die Kraft für einen Neuanfang. Das weißt du. Warum also sollte es nicht mein Schicksal sein, mit meiner Stadt unterzugehen? Vielleicht kann ich euch auf diese Weise etwas mehr Zeit verschaffen.“
    Julius wollte widersprechen, doch dann blickte er in die Augen seines Vaters und er schwieg. Julien hatte recht. Er hatte all das gewusst, aber jetzt, da die Zeit gekommen war, fiel es ihm unendlich schwer, loszulassen.
    „Aber was wird aus unserem Volk?“, seine Stimme zitterte und er kämpfte mit den Tränen.
    Warm und voller Güte sah Julien seinen Sohn an: „Deine Zeit ist gekommen. Knie nieder!“
    Zögernd folgte Julius seinen Anweisungen. Er sank auf die Knie herab und senkte den Kopf. Julien trat näher. Mit einer würdevollen, großartig wirkenden Bewegung nahm er den goldenen Stirnreif, das Zeichen der königlichen Macht, von seinem Kopf und hielt ihn einen Augenblick lang zwischen ihnen in die Höhe. Das Gold strahlte im Fackellicht und für einen Moment verstummten alle Gespräche im Raum. Die Blicke aller waren auf den König und seinen Sohn gerichtet. Dann sprach Julien mit klarer, kraftvoller Stimme: „Kraft meines Amtes und in Einklang mit den Gesetzen unseres Landes erkläre ich, Julien II. von Aquanien, Hochkönig des vereinten Königreiches von Anoria, meinen Sohn Julius von Aquanien zu meinem rechtmäßigen Erben. Seid Zeugen, wie ich an diesem Tag, dem dritten des Monats Tértia,

Weitere Kostenlose Bücher