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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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angreifen.“
    Julien, dessen Gesicht selbst im rötlichen Fackellicht fahl wirkte, sah seinen Sohn aus müden Augen an: „Wie lange, glaubst du, kannst du sie noch aufhalten?“
    Julius zuckte unsicher mit den Schultern, doch es war François, der antwortete: „Vielleicht einen Vormittag lang, keinesfalls länger. Wir haben bereits jetzt zu hohe Verluste erlitten.“
    Beim kühlen, sachlichen Klang seiner Stimme schauderte Julius, doch er nickte zustimmend. Tatsächlich war die Schätzung des Kandari ausgesprochen optimistisch, dachte Julius, als er vor dem Kamin stehen blieb und seine Hände über den Flammen wärmte. Gedämpft durch das Knistern des Feuers hörte er seinen Vater seufzen.
    „Wenn ihr euch zurückzieht, lockt die Brochonier zum Palast. Verhindert in jedem Fall, dass sie die Stadt umstellen, denn dann würde euch kein Fluchtweg mehr bleiben.“
    François zuckte mit den Schultern: „Wir werden es versuchen“, sagte er ohne große Begeisterung. Er stand auf und schob sein Schwert zurück in die Scheide: „Allerdings haben wir keinen großen Einfluss auf den Verlauf der Schlacht.“
    Ohne ein weiteres Wort verließ er den Palast und ging wieder hinaus in die verregnete Nacht.
    Eine Weile blieb Julius vor der Feuerstelle im Thronsaal sitzen. Mehrmals schlief er ein, doch er schreckte immer wieder aus seinen unruhigen Träumen auf und so kehrte er kurz nach Mitternacht auf seinen Platz auf der Mauer des inneren Ringes zurück.
    Zu früh graute der Morgen. Wieder griffen die Brochonier an, doch dieses Mal konnten die Anorianer ihre Feinde nicht lange aufhalten. Bald durchbrachen die Soldaten in den schwarzen Uniformen die Reihen der Verteidiger. François kämpfte darum, die panische Flucht seiner Männer in einen geordneten Rückzug zu verwandeln. Aber dafür war es bereits zu spät. Verängstigt flüchteten die Männer die Straßen hinauf auf die Mauer zu.
    Von seinem Standpunkt aus konnte Julius die Geschehnisse im Hafen genau beobachten. Mit zwanzig Bogenschützen wartete er auf der Mauer, um den Fliehenden Rückendeckung zu geben. Der Rest seiner Männer stand mit gezogenen Waffen im Schatten der Häuser.
    Dann kamen die ersten Anorianer in Bogenschussweite. Im gleichen Moment erklang François’ Stimme: „Öffnet das Tor!“, brüllte er Julius über die Menge und den Kampfeslärm hinweg zu. Die zwei Gardisten, die das Tor bewachten, reagierten sofort. Mit vereinten Kräften stemmten sie die schweren, eisernen Flügel auf. Sie sprangen zur Seite, als die ersten Anorianer in den Schutz der Mauern stürmten.
    Julius’ Blick aber blieb an François hängen, der allein in der Mitte der Straße stand und wie ein Rasender kämpfte, um ein paar Männern mehr die Flucht in die Sicherheit des inneren Ringes zu ermöglichen. Schließlich stand er allein dem näher kommenden brochonischen Heer gegenüber. Er sah sich ein letztes Mal um, dann sprintete er auf den Durchgang zu.
    „Schnell!“, keuchte er, „schließt das Tor.“
    Schwer atmend blieb er an eine Mauer gelehnt stehen. Im gleichen Moment schlugen hinter ihm die beiden eisernen Torflügel zu.
    Julius eilte die Treppe hinunter und rutschte dabei beinahe auf dem glitschigen Gestein aus. Stolpernd kam er neben François zum Stehen, der sich mit beiden Händen an der Wand abstützte.
    „Was soll jetzt geschehen?“, der Blick des Prinzen wanderte über die beiden Gardisten, die das Tor verkeilten, zu den Bogenschützen auf der Mauer, die ihre letzten Pfeile verschossen. Er wischte sich das Regenwasser aus den Augen und drehte sich wieder zu François um: „Hier können wir die Brochonier lange aufhalten, doch wir sitzen fest. Sie können nicht hinein, aber wir kommen auch nicht mehr hinaus.“
    Leise fluchend zog der Kandari seinen zerfetzten Mantel aus und betrachtete eine hässlich aussehende, heftig blutende Schnittwunde an seinem linken Oberarm. Dabei ignorierte er Julius’ schockierten Blick.
    „Solltest du das nicht verbinden lassen?“, schlug der junge Prinz vorsichtig vor.
    François schüttelte den Kopf: „Das ist nicht notwendig“, er bewegte seinen Arm, bevor er zu Julius aufsah, „wenn die Brochonier hier keinen Weg in den inneren Ring finden, werden sie es an einer anderen Stelle versuchen. Und wir sind zu wenige, um die ganze Mauer zu besetzen.“
    „Willst du damit sagen, wir sollen sie weiter vordringen lassen?“, fragte Julius entsetzt: „Die Brochonier würden uns in den Palast zurückdrängen und wir wären ihnen

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