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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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Gedanken zu Elaine wanderten, und während er weiterredete, klang seine Stimme wärmer als zuvor: „Was auch geschieht, lasst nicht zu, dass Hass und Zorn eure Schritte lenken. Einst waren wir, Brochonier, Anorianer und Kandari, ein Volk und selbst jetzt, da wir uns als Feinde gegenüberstehen, verbindet uns vieles. Wir alle verfolgen ähnliche Ziele, wir alle wollen leben und jeder Einzelne von uns glaubt an eine Zukunft, eine bessere Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt“, er atmete tief durch, und als er weitersprach, galten seine Worte den Brochoniern vor dem Tor und seinen Untertanen gleichermaßen, „heute kämpfen wir nicht gegeneinander. Es geht um mehr als eine alte Fehde zwischen Menschen und Kandari. Wie lange wollen wir noch zulassen, dass die Taten unserer Vorfahren vor Tausenden von Jahren unser Schicksal bestimmen?“, er schwieg einen Moment lang und fühlte die Augen jedes einzelnen Menschen vor und hinter der Mauer auf sich gerichtet. „Wir stehen nicht hier als Brochonier oder Anorianer und wir kämpfen nicht nur für uns, sondern für unsere Kinder, für jede Generation, die nach uns kommen wird. Gegen Hass und Gewalt, für Freiheit, Gerechtigkeit und Toleranz.“
    Inmitten der Menschen senkte Arthenius den Kopf und ballte seine Hände so fest zu Fäusten, dass sich seine Fingernägel in die Handballen gruben. Das waren beinahe die gleichen Worte, die Larenia verwendet hatte, damals während des letzten Kriegsrates. Und noch einmal glaubte er für einen kurzen Moment, sie vor sich stehen zu sehen.
    Währenddessen blickten die Anorianer mit leuchtenden Augen zu ihrem König empor. Sie hingen an seinen Lippen, als er noch einmal seine Stimme erhob.
    „Solange wir daran denken, werden wir siegen, egal, was heute geschehen wird. Also lasst uns ein letztes Mal kämpfen für die Zukunft unserer Welt!“
    Seine Worte schienen auf dem Platz widerzuhallen. Dann wandte er sich ab und trat auf die Treppe zu, um seinen Platz an der Spitze des Heeres einzunehmen.
    Und genau in diesem Moment erbebte die Mauer, als die Brochonier auf das Tor zustürmten.
    Ein zweites und schließlich ein drittes Mal erzitterte die Stadt wie unter einem Donnerschlag, der die Grundfesten Askanas erschütterte. Die Bogenschützen auf den Mauern griffen die Brochonier unermüdlich an, doch sie waren zu wenige, um die heranrückende Armee wirkungsvoll aufzuhalten. Dann traf der Rammbock der Brochonier ein viertes Mal auf das im Laufe der Jahrhunderte steinhart gewordene Holz des Tores und dieses Mal gaben die riesigen Torflügel nach und begannen, sich langsam zu öffnen. Sofort stürmten brochonische Soldaten durch die Öffnung und drangen erbarmungslos auf die Anorianer ein. Innerhalb kürzester Zeit zerfiel Julius’ sorgsam vorbereitete Heeraufstellung und verwandelte sich in ein Chaos. Überall auf dem Platz zwischen der Stadtmauer und den ersten Häuserreihen entbrannten wütende Handgemenge und erbitterte Zweikämpfe, in denen nur zu oft die Brochonier die Oberhand behielten. Und noch immer drangen mehr schwarz gekleidete Soldaten durch das sich öffnende Tor.
    Arthenius hatte sein Schwert gezogen, als die ersten Brochonier die Stadt betraten. Ohne darüber nachzudenken, stürzte er sich in den Kampf. Er achtete weder auf seine Umgebung noch auf seine eigene Deckung. Alles, was er in dieser Schlacht suchte, war Vergessen, irgendetwas, das seinen Schmerz dämpfen konnte. Blind und auf seine Instinkte vertrauend kämpfte er sich durch die Reihen seiner Feinde. Nur am Rande seines Bewusstseins nahm er wahr, dass François in seiner Nähe blieb und ihnen einen Fluchtweg offenhielt. Doch es war ihm egal. Er wusste nicht einmal, ob er diesen Tag überleben wollte. Aber dann sah er etwas, das ihn aus seinem Wahn der Verzweiflung und Todessehnsucht riss.
    Der Himmel, der noch zu Beginn des Angriffes klar und blau gewesen war, begann, sich zuzuziehen. Dunkle, graue Sturmwolken türmten sich auf und der Sonnenschein, der die Stadt noch vor wenigen Augenblicken in sein goldenes Licht getaucht hatte, verblasste zu geisterhafter Helligkeit. Ein blendend heller Blitz zuckte auf und tauchte Askana für den Bruchteil eines Augenblickes in sein gleißendes Licht, dann folgte das tiefe, bedrohliche Grollen des Donners.
    Dies war kein normaler Sturm, das wusste Arthenius. Er hatte so etwas schon zwei Mal gesehen, in Arida während der ersten Schlacht und zuvor in Anaiedoro, während des Aufstandes der Kandari, und er kannte die

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