Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
mit wenigen Schritten zu Arthenius. Philipus griff nach seinem Arm und hielt ihn fest, ohne auf seine heftige Gegenwehr zu achten.
„Bitte, warte einen Augenblick.“
Arthenius funkelte ihn einen Moment lang wütend an, dann drehte er sich zu François um: „Ich dachte, du willst mir helfen“, fauchte er zornig, doch gleichzeitig mischte sich Verzweiflung in seine Stimme.
„Ich versuche, dich am Leben zu erhalten“, François’ Worte klangen betont ruhig, „das zumindest bin ich Larenia schuldig, doch du machst es mir nicht gerade leicht.“
„Ich muss zu ihr, sofort“, finster und drohend sah er Philipus an, „lass mich los!“
„Das kann ich nicht, nicht bevor du mir nicht zumindest einen Augenblick lang zugehört hast.“
Mit aller Kraft versuchte Arthenius, seinen Arm aus Philipus’ Griff zu befreien, doch seine Gegenwehr erlahmte bereits. Er konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten und das Atmen fiel ihm immer schwerer: „Nichts, was du sagen könntest, würde irgendetwas ändern.“
Philipus’ Finger schlossen sich noch fester um seinen Arm: „Sieh dir wenigsten an, was ich dir zu zeigen habe.“
Noch während er sprach, fühlte Arthenius die Berührung seiner Gedanken. Und da war noch etwas anderes, das halb verborgen neben dem Bewusstsein des Kandari existierte. Etwas, das sich unglaublich vertraut anfühlte, voller Wärme und so anziehend, dass er dem kaum widerstehen konnte. Dann überschwemmten Erinnerungen, Larenias Erinnerungen, sein Bewusstsein. Klarer denn je erkannte er, welche Rolle er in ihrem Leben gespielt hatte, und er fühlte die überwältigende, an Besessenheit grenzende Liebe, die sie für ihn empfunden und die sie letztendlich gezwungen hatte, diesen Weg zu wählen. Verzweifelt klammerte er sich an dieses Gefühl, er wollte nicht loslassen, er konnte es nicht. Immer hatte er gewusst, was sie für ihn empfunden hatte, auch wenn sie es nie laut ausgesprochen und ihm selten erlaubt hatte, so tief zu blicken. Diese Liebe war so sehr Teil seines Lebens gewesen und er würde es nicht ertragen, sie noch einmal zu verlieren.
Aber dann ließ Philipus seinen Arm los und die Flut der Emotionen verblasste zu einer bloßen Erinnerung, sosehr er sich auch bemühte, den Moment festzuhalten. Gedämpft und wie aus weiter Ferne hörte Arthenius Philipus sprechen: „Larenia wollte, dass du weiterlebst. Sie hat alles dafür getan und jetzt liegt es an dir, dafür zu sorgen, dass ihr Opfer nicht sinnlos war.“
Arthenius hörte ihm nicht zu. Leise und noch immer in seine Erinnerungen versunken murmelte er: „Sie hat meine Gedanken manipuliert.“
„Ja, das hat sie“, antwortete Philipus mit leiser, sanfter Stimme und gleichzeitig versuchte er, Arthenius vom Aufgang zum Aussichtsturm wegzuschieben, „sie hat es getan, um dein Leben zu retten.“
„Aber das werde ich nicht zulassen!“, in Arthenius’ Augen glomm die gleiche Wildheit auf, die François schon einmal gesehen hatte, doch jetzt mischte sich noch etwas anderes in seinen Blick: ein vorsichtiges, beinahe ängstliches Hoffen.
„Arthenius, es ist zu spät!“, doch Philipus konnte ihm bei diesen Worten nicht in die Augen sehen.
„Das ist es nicht“, endlich gelang es Arthenius, sich an den beiden anderen vorbeizuschieben, „noch kann ich sie retten. Ich muss es zumindest versuchen. Ich muss sie wenigstens noch einmal sehen.“
So schnell er konnte, eilte er die Treppe hinauf. Einen Augenblick lang sahen François und Philipus sich hilflos an, dann rannten sie hinter ihm her in das dunkle Treppenhaus.
Auch Norvan bemerkte den heraufziehenden Sturm. Er stand noch immer vor der Stadt, weit entfernt vom eigentlichen Schlachtfeld, doch um ihn herum war das Chaos ausgebrochen. Ein Teil der Widerstandskämpfer hatte die Geduld verloren. Sie hatten ihre dunklen Uniformmäntel abgeworfen und sich gegen die anderen brochonischen Soldaten gewandt. Jetzt tobte ein wütendes Handgemenge nur wenige Schritte von ihm entfernt und unbemerkt von Baruk oder den Druiden, doch bisher war es Collyn und Pierre gelungen, alle Kämpfe von ihm fernzuhalten. Norvan hatte zwar ebenfalls sein Schwert gezogen, doch seine ganze Aufmerksamkeit galt einer weit entfernt stehenden und sorgsam abgeschirmten Gruppe von Menschen in dunklen, mit düsteren Symbolen verzierten Mänteln.
Plötzlich tauchte scheinbar aus dem Nichts Pierre vor ihm auf und unterbrach seinen Blickkontakt mit den Druiden. Der Kandari sah ziemlich zerzaust aus und an
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