Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
konnte. Und dann …
„Larenia!“
Diese Stimme kannte sie, sie hätte sie überall erkannt. Erschrocken drehte sie sich um und blickte in Arthenius’ Gesicht. Gleichzeitig fühlte sie die vertraute, beschützende Berührung seiner Gedanken. Einem Instinkt folgend ließ sie die Arme sinken und ging einen unsicheren Schritt auf ihn zu. Das gleißende bläuliche Licht hüllte sie nun beide ein und für den Bruchteil eines Augenblickes gelang es Arthenius, den Energiestrom umzulenken. Doch das durfte er nicht. Sie hatte zu viel gewagt, um sein Leben zu retten.
„Nein!“, entschlossen wich Larenia zurück und Arthenius blieb wie erstarrt stehen. Einen Moment lang, zeitlos, ewig, blickte sie ihm in die Augen, dann flüsterte sie: „Es tut mir leid.“
Er konnte die Worte nur erahnen, aber ihm blieb keine Zeit mehr, um zu reagieren. Ein Blitz zuckte auf und blendete ihn. Dann wurde er von den Füßen gerissen und gegen die Mauer hinter ihm geschleudert. Sein Kopf knallte gegen die Steinwand und er verlor das Bewusstsein.
Entsetzt starrte Larenia auf seinen regungslosen Körper. Endlich aber wandte sie den Blick ab und senkte den Kopf. Inzwischen hatte der Sturm seinen Höhepunkt erreicht. Ein letzter, blendend heller Blitz flammte auf und hüllte sie ein. Die Zeit schien stillzustehen, doch letztendlich verblasste das gleißende Licht. Larenia sank auf die Knie herab und kippte schließlich zur Seite, als sie das Bewusstsein verlor.
Weit entfernt erklang noch einmal das bedrohliche Krachen des Donners, bevor es zu regnen begann.
Mit dem, was nun folgte, hatte Norvan nicht gerechnet. Pierre wirbelte so schnell herum, dass er ihm kaum folgen konnte. Dann sah er nur noch schemenhafte Bewegungen, das Aufblitzen von Metall gefolgt von dem scharfen Klirren aufeinanderprallender Waffen und schmerzerfülltem Schreien. Plötzlich begann es zu regnen. Die Regentropfen fielen so dicht, dass Norvan kaum noch etwas erkennen konnte. Aber da war Silvano bereits neben ihm, griff nach seinem Arm und zog ihn einfach hinter sich her. Blind hasteten sie über das Schlachtfeld, ohne etwas von den Kämpfen um sie herum sehen zu können, dann prallten sie gegen Pierre, der unvermittelt stehen geblieben war und mit schreckgeweiteten Augen zurückblickte.
„Larenia“, flüsterte er mit bebender Stimme, „ich muss zu ihr.“
„Das kannst du nicht!“, Silvano musste schreien, um das Prasseln des Regens zu übertönen und sein Tonfall verriet deutlich seine Panik: „Ohne deine Hilfe schaffen wir es nicht, Pierre.“
„Aber –“
Norvan trat an Silvano vorbei und schüttelte den Kandari heftig: „Wir müssen diesen Krieg beenden. Jetzt!“
Pierre starrte ihn verständnislos an, dann aber schienen Norvans Worte sein Bewusstsein zu erreichen und er nickte langsam: „Kommt. Wir müssen uns beeilen.“
Er hob sein Schwert und wollte sich wieder umdrehen, doch ihm blieb keine Zeit mehr, die Bewegung zu beenden. Ein dunkler Schatten löste sich aus dem fast undurchdringlichen Grau, raste auf ihn zu und riss ihn von den Füßen. Pierre reagierte rein instinktiv. Er rollte sich ab, kam wieder auf die Füße und konnte dem nächsten Angriff nur mit einem verzweifelten Sprung zurück ausweichen. Dann aber fand er sein Gleichgewicht wieder. Er riss sein Schwert in die Höhe und parierte einen weiteren Hieb, bevor er selbst angriff. Es folgte ein wütender, erbarmungsloser Zweikampf, in dem Pierre sehr schnell die Oberhand gewann. Er schlug seinen Gegner nieder, sprang über den reglosen Körper und versetzte Norvan einen harten Stoß, der ihn mehrere Schritte vorwärtstaumeln ließ.
„Worauf wartet ihr noch? Verschwindet von hier, ich kümmere mich um Baruks Leibwächter.“
Norvan fasste sich und eilte weiter. Hinter sich hörte er Silvanos Schritte, doch er achtete nicht darauf, denn jetzt konnte er die dunkle Gestalt seines Onkels vor sich erkennen. Er verlangsamte sein Tempo und schob sein Schwert zurück in die Scheide. Stattdessen zog er seinen Dolch und trat lautlos hinter Baruk. Mit einer schnellen Bewegung hob er das Messer und drückte die Klinge gegen den Hals des älteren Mannes.
„Es ist vorbei, Baruk.“
Der Herrscher der Brochonier drehte sich blitzschnell um. Und erstarrte, als er Norvan mit gezogener Waffe hinter sich stehen sah: „Du!“, zischte er durch seine zusammengebissenen Zähne. „Du hast meine Toleranz stets auf eine harte Probe gestellt, aber dieses Mal bist du zu weit gegangen. Ergreift
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