Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
Julius? Ich muss ihm eine wichtige Nachricht überbringen“, plötzlich schien ihm der niedergeschlagene Ausdruck in den Gesichtern der beiden anderen aufzufallen, „was ist denn mit euch beiden los?“
François öffnete den Mund, um zu sprechen, doch seine Stimme versagte und so schüttelte er nur beinahe unmerklich den Kopf und sah zu Boden. Es war Philipe, der Pierres Frage letztendlich beantwortete: „Du weißt, wer die Druiden getötet hat?“
Pierre seufzte und auf einmal sah er genauso müde aus wie die beiden anderen: „Ich weiß es. Wie geht es Larenia?“
„Sie lebt“, antwortete François kurz angebunden, dann wechselte er das Thema, „was willst du Julius sagen?“
„Eine Nachricht von Norvan. Er möchte mit Julius sprechen, allerdings versteht er, dass wir erst einmal Zeit brauchen, um dieses Chaos aufzuräumen“, mit einer weit ausholenden Geste schloss er Askana und ganz Anoria ein, „ach ja, und Sibelius und sein Heer lagern vor der Stadt.“
„Wie bitte?“, François starrte ihn erstaunt an, während Philipe nicht im Mindesten überrascht zu sein schien.
„Was glaubt ihr, warum die Brochonier euch nur von dieser Seite angegriffen haben?“, Pierre sah sich suchend um. „Sibelius hat sie in einen Kampf auf der anderen Seite der Stadt verwickelt.“
Er hatte etwas auf der anderen Seite des Schlachtfeldes entdeckt, das seine Aufmerksamkeit zu fesseln schien. Mit schnellen Schritten bewegte er sich durch die immer größer werdende Menschenmenge und nach kurzem Zögern folgten ihm die beiden anderen.
In memoriam
Der Tag nach der Schlacht, dachte Julius benommen und blickte von der Plattform des Aussichtsturmes auf die Stadt herab. Alles, der Himmel, die Häuser, sogar die Hochebene, wirkte trüb und grau. Noch immer hingen dunkle Wolken am Himmel und der feine Niesel, der den strömenden Regen des Vortages abgelöst hatte, durchnässte seine Kleider.
Er hatte daran geglaubt, dass sich die Welt an diesem Tag ändern würde, ohne zu wissen, welche Art von Wandel er sich erhofft hatte. Doch es hatte sich nichts verändert. Der Schrecken des Krieges lag noch immer über seinem Land, das Leid der Menschen erschien heute nicht weniger furchtbar und ihr Kummer schmerzte genauso wie am Tag zuvor. Da war keine Erleichterung, keine Freude. Zu viele waren gestorben, Menschen, die er geliebt hatte, und so viele andere, an die sich niemand erinnern würde. Dalinius war noch immer damit beschäftigt, die Opfer des letzten Kampfes zu zählen. An die Wunden, die keine Spuren hinterließen, wollte Julius nicht denken. Sie hatten unendlich viel verloren, jeder Einzelne von ihnen …
Seufzend wandte Julius den Blick ab und verließ die Aussichtsplattform. Im Thronsaal der Burg warteten der Heerführer der Kandari und Norvan, der Anführer des brochonischen Widerstandes, auf ihn, um mit ihm über die Zukunft ihrer Länder zu beraten.
Tief in Gedanken versunken ging er die steile Treppe hinab, doch als er den Innenhof betrat, fiel sein Blick auf eine blonde, schlanke Gestalt und sein Gesichtsausdruck hellte sich etwas auf. Um Elaine zumindest musste er nicht trauern. Noch während er wie verzaubert dastand und sie ansah, drehte Elaine sich zu ihm um, stand auf und kam lächelnd auf ihn zu. Zärtlich strich sie ihm das dunkle Haar aus der Stirn und küsste ihn, bevor sie ihre Hand in die Seine gleiten ließ.
„Komm“, flüsterte sie. Dann sah sie ihn von der Seite an und seufzte, „ich wünschte, du würdest wieder lächeln, Julius.“
Einen Augenblick lang verzog er die Lippen zu einem verkrampften Lächeln, doch dann gab er es auf. Das war es nicht, was sie gemeint hatte, und sie wussten es beide. Schließlich strich er nur noch einmal seine Kleidung glatt, dann betraten sie gemeinsam den Hauptteil der Burg und den Thronsaal.
Nichts, was Julius jemals bei den Ratsversammlungen gesehen hatte, hätte ihn auf das, was ihn hinter der schweren Holztür im Thronsaal erwartete, vorbereiten können. Er wusste zwar nicht, womit genau er gerechnet hatte, aber die wenigen Anwesenden hattennicht viel mit dem schwer bewaffneten Aufmarsch zu tun, den Julius sich vorgestellt hatte. Tatsächlich blieb er einen Moment lang überrascht auf der Türschwelle stehen und sah sich suchend um, bevor er zögernd die Säulenhalle betrat, ohne sich entscheiden zu können, an wen er sich wenden oder was er sagen sollte. Elaine drückte ermutigend seine Hand und deutete mit dem Kinn auf einen jungen,
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