Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
mein Vater über mein Wohlergehen. Jetzt hatte ich das Gefühl, dass eine Zeit kommen würde, in der niemand mehr auf mich aufpasste.
Jedenfalls ging das Leben in Arida weiter. Wir hatten die Stadt in ein Heerlager verwandelt. Auch alle anderen Ortschaften Aquaniens waren aufgerüstet und auf alles vorbereitet. Wir hatten getan, was wir konnten. Nun blieb uns nichts anderes übrig, als zu warten und zu planen, denn zu einem Angriff auf Laprak fehlten uns die Mittel. So zerbrachen wir uns den Kopf über mögliche Ziele und die optimale Verteidigung. Kurz, nachdem die terranischen Flüchtlinge angekommen waren, erhielten wir auch Nachrichten aus Finnroy. Die Firanier hatten den Angriff abwehren können ohne größere Verluste. Das war nicht weiter verwunderlich, denn Finnroy hatte hohe Mauern und war kaum zu erobern. Eine Belagerung entsprach nicht dem Vorgehen der Brochonier.
Inzwischen bereitete sich ganz Anoria auf das Mittsommerfest vor, dem bedeutendsten Feiertag unseres Landes. Auch ich hatte endlich einen neuen Auftrag erhalten, nachdem die Versorgung geregelt war. So ritt ich am zwanzigsten Tag des Monats nach Komar, um Elaine nach Arida zu eskortieren. Es war Logis’ Wunsch, dass seine Tochter nach Arida, in die Sicherheit der Stadt der Könige, gebracht wurde. Er selbst wollte in Komar bleiben, da jetzt, nachdem den Brochoniern der Landweg nach Ariana offen stand, täglich mit einem Angriff gerechnet wurde.
Der Einzige, von dem wir in all der Zeit nichts mehr gehört hatten, war Philipe. Wenn die Gilde eine Nachricht von ihm erhalten hatte, dann erzählten sie nichts davon.
Komar, die Hauptstadt des Fürstentums Ariana, lag an einem Fjord an die Felswand geschmiegt und ähnelte keiner anderen Stadt Anorias, die Julius kannte. Arida und jeder andere Ort in Aquanien waren aus weißem Stein erbaut, ein Überbleibsel aus den Tagen des Elfenreiches, mit zahlreichen Verzierungen und Ornamenten, großartig und prunkvoll. Nicht so Komar. Am höchsten Punkt, beinahe schon ein Teil des Felsens, lag die Burg, der Stammsitz der Fürsten von Komar. Tatsächlich war die Festung aus dem Felsen gehauen worden, zumindest behaupteten das die Aufzeichnungen der Anorianer. Im Schatten der Feste standen kleine, in leuchtenden Farben gestrichene Häuser. Sie waren aus Holz erbaut, nahezu winzig, aber stabil und gemütlich. Die gepflasterten Straßen waren schmal und verwinkelt. So verträumt Komar auch wirkte, hier lebten über fünftausend Menschen.
In den Hauptstraßen standen zahlreiche Laternen, die in jeder Nacht angezündet waren und im Winter Tag und Nacht brannten. Zwar waren die Sommer hier warm und freundlich, aber die Winter waren kalt und dunkel.
Die Mentalität der Arianer widerspiegelte sich in dieser Stadt. Sie waren höflich und freundlich, schafften es aber, gleichzeitig distanziert zu wirken. Julius hatte nie verstehen können, wie man gleichzeitig so fröhlich und zurückhaltend sein konnte. Sie liebten es, leuchtende Farben zu tragen. Mit ihrer grünen, roten, blauen und gelben Kleidung unterschieden sie sich deutlich von den Aquaniern in ihren dunklen Mänteln und dem würdevollen Auftreten.
Komar war nur über zwei Wege zu erreichen. Mit einem Schiff über den schmalen Fjord und über einen noch schmaleren Pfad von oben. Dies bot der Stadt Schutz und nahezu vollkommene Sicherheit vor Überraschungsangriffen und Invasionen.
Julius erreichte nach einem Dreitagesritt die Hauptstadt Arianas. Doch er ritt nicht bis nach Komar. Eliza, Logis’ Frau, hatte die finstere Burg gehasst. Darum hatte Logis den Stammsitz seiner Familie verlassen. Stattdessen bezog er ein großes Landhaus auf den Felsen mit Blick auf die Stadt. Es wirkte zwar nicht unbedingt wie der Landsitz eines Fürsten, sondern eher wie ein großer Bauernhof, doch hier erreichte sie der erste Sonnenstrahl des Tages. Außerdem war es eine der wenigen Stellen in Ariana, an denen Obstbäume wuchsen. Und dieses Obst war in ganz Anoria bekannt.
Auch nach Elizas Tod kehrte Logis nicht nach Komar zurück. Er weigerte sich standhaft, ein zweites Mal zu heiraten. Er setzte Elaine als Erbin des Fürstentums ein und widmete sich seitdem ganz der Regierung und der Erziehung seiner Tochter. Seine Familie war mit dieser Entscheidung weniger zufrieden. Doch Logis war ein guter und gerechter Herrscher und das Volk liebte ihn. Und die Arianer waren ein ruhiges, friedliebendes und hart arbeitendes Volk. Sie würden keinen Bürgerkrieg beginnen, weil sie
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