Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
ihnen verbünden oder nicht“, seine Stimme wurde immer leiser und tonloser, das Sprechen fiel ihm sichtlich schwer, „wir können sie nicht besiegen. Ihr Heer ist riesig …“, keuchend und rasselnd holte er Luft. Er schwankte, fand irgendwie sein Gleichgewicht wieder, dann sah er zum König auf, „aber wir müssen sie bekämpfen. Es ist … der einzige Weg zu überleben. Vertraut nicht den Brochoniern …“
Seine Stimme erstarb. Sein schon verschleierter Blick glitt an Julien vorbei zu Patricia, der Königin, und ein beinahe friedlicher Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus. Dann kippte er langsam zur Seite.
In diesem Augenblick kam Bewegung in die Ratsversammlung. Ciaran sprang auf und fing den Sterbenden auf. Julius brüllte nach einem Arzt. Julien saß still da, zusammengesunken in seinem Thron, und Patricia stand hinter ihm, entsetzlich bleich, mit weit aufgerissenen Augen.
„Er ist tot“, der Fürst der Firanier hatte sehr leise gesprochen, doch reichten seine Worte, um die Ratsversammlung ein zweites Mal erstarren zu lassen. Ciaran ließ den Toten sanft zu Boden gleiten, dann wandte er sich an den König: „Mein Herr, Cameon hat recht. Wir dürfen den Brochoniern nicht vertrauen. Wir müssen sie bekämpfen. Vielleicht können wir damit nicht unser Leben retten, wohl aber unsere Freiheit und unsere Ehre.“
Dies war das Ende der Ratsversammlung. Man würde den Kampf gegen die Brochonier aufnehmen. Doch dieser letzte Augenblick blieb in Elaines Gedächtnis haften. Ciaran, der rothaarige, stets angriffslustige Fürst der Firanier, kniete mit ernstem Gesicht und Tränen in den Augen am Boden neben seinem toten Vetter. Julien, Eugen und Cordac sowie Logis saßen noch immer auf ihren Plätzen, alle vier sprachlos, erstarrt. Patricia stand hinter dem Thron, noch immer blass und in ihren Augen spiegelte sich namenlose Trauer wider. Julius, der bisher den Wachen Anweisungen gegeben hatte, schwieg entsetzt. Und weiter hinten, im Schatten der Säulen, standen kühl und überirdisch die drei Gildemitglieder. In diesem Augenblick richtete Ciaran seinen Blick auf Larenia: „Ihr hättet ihn retten können!“, anklagend sah er die Gildeherrin an und sie erwiderte seinen Blick mit sonderbar losgelöster Traurigkeit.
„Das hätte ich nicht gekonnt. Keine Macht der Welt kann die Toten wieder lebendig machen.“
Flankiert von Pierre und François durchquerte sie die Halle, doch kurz bevor sie den Saal verließen, drehte sie sich noch einmal zu Ciaran um: „Es gab keinen anderen Weg. Den gibt es niemals.“
Julius erzählt:
Ich kann kaum beschreiben, was ich nach Cameons Tod empfand. Sicher war ich ebenso entsetzt und schockiert wie alle anderen. Doch bezog sich meine Bestürzung nicht so sehr auf Cameon, sondern vielmehr auf mein eigenes Schicksal. Die Brochonier hatten bewiesen, wie grausam und unmenschlich sie sein konnten. Und in diesem Augenblick wurde die Aussicht auf einen Krieg, der nicht nur meinen Tod, sondern auch den Untergang meines Volkes bedeuten konnte, Wirklichkeit. Ich dachte an meinen Stolz, als ich zum ersten Mal die Uniform des Heerführers von Anoria getragen hatte. Nun schien mich die Verantwortung, die mit diesem Titel einherging, zu erdrücken.
In dieser Nacht schlief niemand im Palast von Arida. Um uns zu verteidigen, brauchten wir eine Armee, das bedeutete, Krieger, Waffen und Nahrungsmittel mussten in kürzester Zeit organisiert werden. Denn niemand wusste, wie schnell die Brochonier reagieren würden. Erst jetzt verstand ich, warum mein Vater so verzweifelt versucht hatte, Konflikte zu vermeiden. Jeder Mann, der fähig war, Waffen zu tragen, würde kämpfen müssen, Frauen und Kinder blieben allein und ungeschützt zurück. Das Volk würde Hunger leiden, denn der Großteil der Ernte wurde nun für das Heer gebraucht. Und dann gab es Gerüchte. Gerüchte, die besagten, dass die Brochonier nicht nur auf Waffenstärke angewiesen waren.
Im Morgengrauen brachen die Oberhäupter der Clans auf, um in ihren Ländern die Verteidigung zu organisieren. Nur Ciaran blieb noch in Arida.
Am nächsten Tag wurde Cameon neben den Königen von Anoria beerdigt. Angesichts der Situation war die Zeremonie kurz und nur wenige Gäste waren gekommen. Allerdings war die Gilde der Zauberer vollständig erschienen. Ihre Anwesenheit schien den meisten Menschen Furcht einzuflößen, doch zumindest mir gab ihr Anblick wieder neue Hoffnung. Sie hatten uns noch nicht aufgegeben.
Nach der
Weitere Kostenlose Bücher