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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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sehr eindrücklich«, sagte Hailsham. »Und wir haben Roderick gehört, dessen Argumente zwar ungewöhnlich, aber ebenfalls überzeugend waren.«
    Â»Dann schlage ich vor, dass wir beide Seiten im Lauf der nächsten Woche mit kühlerem Kopf bedenken und uns wieder hier einfinden, um die Entscheidung zu treffen.«
    Â»Eine Entscheidung, mit der ich zum Premierminister gehen kann?«, fragte Hailsham und sah einen nach dem anderen an. »Er möchte unsere Antwort so bald wie möglich haben.«
    Â»Eine Entscheidung, mit der ich zum König gehen kann?«, fragte Monckton. »Er ist dabei, die Geduld zu verlieren.«
    Â»In einer Woche stimmen wir ab«, verkündete Keaton. »Nach dem Mehrheitsverfahren.«
    Â»Das ist nur fair«, sagte Altringham.
    Â»Ganz meine Meinung«, ergänzte Roderick, der ohnehin glaubte, die Debatte gewonnen zu haben.
    Â»Also abgemacht«, sagten Monckton und Hailsham wie aus einem Munde.
    Â»Heute in einer Woche«, fügte Hailsham hinzu. »Ich muss sicher nicht betonen, wie wichtig es ist, dass wir über unsere Diskussion heute kein Wort verlauten lassen.«
    Â»Selbstverständlich nicht«, sagten alle und verließen nacheinander den Raum.
    Keaton beobachtete, wie Roderick die Treppe hinunterlief und dabei auf seine Uhr schaute, wahrscheinlich auf dem Weg zu dem Anwalt seines Sohns. Und doch hing von diesem Mann alles ab. Altringham konnte er ohne große Probleme wieder auf seine Seite ziehen. Moncktons Meinung stand fest, und Hailsham war eine unbekannte Größe. Roderick Bentley würde den Ausschlag geben.
    Es war Zeit, die letzte Runde einzuläuten.

KAPITEL 6
1
    Das Frühstück wurde um sieben Uhr gebracht, doch vorher hatte man ihm erlaubt, zu duschen und statt der Gefängnisuniform den neuen Anzug zu tragen, den seine Mutter ihm am Vortag bei ihrem Besuch übergeben hatte. Seit Beginn seiner Gefangenschaft hatte er seine Zelle kaum verlassen und fühlte sich körperlich geschwächt. Im Duschraum blieb er für lange Zeit unter der Brause stehen, war froh, dass sonst niemand da war, und versuchte, wach zu werden. Als er angekleidet und allein in seiner Zelle war, fiel es ihm schwer, still zu sitzen. Er sprang auf, lief hin und her und wünschte, man hätte ihm gestattet, eine Uhr zu tragen, damit er sich ausrechnen konnte, wie lange es noch dauerte, bis man ihn holte.
    In den meisten Nächten der vergangenen zwei Monate hatte er recht gut geschlafen. Wenn er morgens aufwachte und begriff, dass ein weiterer öder Tag vor ihm lag, hatte er sich sogleich wieder nach dem Abend und seinem Schlaf gesehnt. Nur in der letzten Nacht, der Nacht vor dem Prozessbeginn, war er so unruhig gewesen, dass er nicht einschlafen konnte. Mittlerweile kam ihm sein früheres Leben – jenes ziellose, friedliche, ereignislose Dasein – wie ein Traum vor. Es war für ihn so selbstverständlich gewesen, dass er noch immer nicht begriff, weshalb es ihm genommen worden war.
    Als er den Schlüssel im Schloss hörte, verkrampfte sich sein Magen. Ein Aufseher trat ein, gefolgt von Sir Quentin Lawrence und dessen Rechtsberater James Lewis.
    Â»Fassen Sie sich kurz«, sagte der Aufseher und griff nach dem Frühstückstablett. »Wenn es so weit ist, sage ich Ihnen Bescheid.«
    Er ging und ließ sie allein.
    Â»Was ist mit Ihnen?«, fragte Sir Quentin Gareth und ließ sich auf dem einzigen Stuhl nieder. Gareth saß auf seiner Pritsche, und Lewis blieb stehen. »Sie machen ein Gesicht, als hätten Sie ein Gespenst gesehen.«
    Â»Nein, nur Sie«, erwiderte Gareth. »In Ihrer Perücke und der Anwaltsrobe. In Ihrer Gerichtskleidung habe ich Sie bisher noch nie gesehen. Haben Sie die von Ede & Ravenscroft?«
    Â»Du meine Güte, warum wollen Sie das denn wissen?«
    Â»Nicht wichtig«, sagte Gareth mit freudlosem Lächeln. Inzwischen hatte er es aufgegeben, sich zu wünschen, er könnte die Zeit zu dem Tag seiner Anprobe zurückdrehen und den Termin diesmal wahrnehmen. »Mit einem Mal kommt mir das Ganze viel realer vor. Als würde es tatsächlich losgehen.«
    Sir Quentin schnaubte. »Natürlich geht es los, mein Junge.« Er zog seine Taschenuhr aus seiner Westentasche und klappte sie auf. »In zwanzig oder dreißig Minuten ist es so weit. Ich wollte nur noch einmal nach Ihnen sehen. Mich vergewissern, dass Sie sich einigermaßen gut

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