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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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entschied Roderick. Gareth würde seine Strafe wie ein Mann akzeptieren. Gesetz war Gesetz und musste aufrechterhalten werden. Das waren die Grundsteine, auf denen er, Roderick, sein Leben errichtet hatte, und nichts konnte ihn dazu bringen, seinen Überzeugungen den Rücken zu kehren. Er blinzelte und verjagte diese Gedanken. Er hatte eine Aufgabe, und die musste er beenden.
    Â»Deshalb erkläre ich, dass Sie, Henry Domson, von hier in ein Zuchthaus verlegt werden, bis zu dem Tag, an dem Ihre Hinrichtung wegen des Mordes an Peter Milburn stattfinden wird. Ich verurteile Sie zum Tod durch den Strang. Gott möge Ihrer Seele gnädig sein.«
    Es war, als würde im Gerichtssaal ein kollektiver Atem ausgestoßen. Zum ersten Mal seit jenem Abend, als die Polizei die Tore des Lagerhauses gestürmt hatte, wirkte Domson sprachlos. Lady Jane Bentley, die im Geist bei Einladungen zu Gartenpartys im Buckingham-Palast gewesen war und die Garderobe dachte, die sie anlässlich der Krönungsfeierlichkeiten tragen würde, schloss langsam die Augen, schüttelte den Kopf und seufzte. Oh, Roderick , dachte sie ebenso betrübt wie zornig, w as hast du nur getan?

KAPITEL 2
1
    Weniger selbstsichere und erfolgreiche Männer als Nicholas Delfy hätten vielleicht an einem Minderwertigkeitskomplex gelitten, wären sie ebenso kleinwüchsig wie er gewesen, doch Delfy, dem ein Club namens Unicorn Ballrooms gehörte, stand über derart trivialen und oberflächlichen Dingen. Er war ein zart gebauter Mann, nicht größer als ein Meter sechzig, bewegte sich in seinem Nachtclub jedoch elegant und anmutig wie ein Balletttänzer. Überdies legte er Wert auf ein gepflegtes Äußeres und ließ sich jeden Montagmorgen als Erstes von seinem persönlichen Barbier das dichte dunkle Haar trimmen, während eine Maniküre sich seinen Fingernägeln widmete. Er trug dunkle Anzüge aus der Savile Row, schwarze Hemden und Krawatten, sodass er mit dem glatten jugendlichen Gesicht eher einem Teenager ähnelte, der sich für eine Beerdigung gekleidet hat, als einem achtunddreißigjährigen Mann, der in London und Umgebung ein Reich der Unterwelt regierte und die Bedürfnisse derjenigen stillte, die selbige sonst nirgendwo stillen konnten.
    An diesem Abend saß er in seinem Büro am Schreibtisch. Jimmy Henderson klopfte zweimal kurz an und trat ein, ebenfalls in dunklem Anzug und dunkler Krawatte, aber um einiges größer und massiger als sein Chef. Henderson war Anfang vierzig, hatte einen kahlen Schädel und eine breit gedrückte Nase; er glich einem ehemaligen Boxer, für den die meisten Runden unschön ausgegangen waren.
    Henderson trat von einem Bein aufs andere, bis Delfy mit einer Kopfbewegung auf den Stuhl vor dem Schreibtisch wies. Er ließ sich vorsichtig darauf nieder, denn für Männer seiner Statur war der Stuhl nicht gebaut.
    Â»Ist draußen viel zu tun?«, erkundigte sich Delfy.
    Â»Geht langsam los.« Henderson schaute zur Wanduhr. »Ist ja erst neun. Da wird sich noch was tun.«
    Â»Schon jemand da?«
    Â»Niemand Besonderer.«
    Delfy beließ es dabei. Seine Fragen waren ohnehin nur Routine gewesen. Die Unicorn Ballrooms – in denen es keinen einzigen Ballsaal gab, natürlich nicht, der phantasievolle Name diente lediglich dazu, den Spieltischen einen achtbaren Anstrich zu verleihen – war einer der meistbesuchten und profitabelsten Nachtclubs der Stadt und Delfy einer ihrer erfolgreichsten Betreiber. Der Club lag unter der Erde, mit Räumlichkeiten, die sich über vierhundert Quadratmeter erstreckten. Darüber, auf Straßenhöhe, befanden sich eine Wäscherei, ein Geschäft mit homöopathischen Mitteln und ein Tabakladen. Die Einnahmen des Clubs speisten sich aus Glücksspielen und Getränken, aber diejenigen, die dort verkehrten, fühlten sich von einer solch angenehmen Atmosphäre aus Luxus und Hedonismus umgeben, dass sie gar nicht mehr gehen wollten. Zwar gab es nirgends Tageslicht, doch die Ausstattung war gehoben und formelle Kleidung Pflicht. Als Arbeitgeber war Delfy dafür bekannt, dass er treue Angestellte schätzte; seine Löhne lagen nahezu fünfzehn Prozent über denen seiner nächsten Wettbewerber. Seine Leute dankten es ihm, indem sie sicherstellten, dass jeder Gast dermaßen verwöhnt und gehätschelt wurde, dass er wiederkam, denn das war das Wichtigste. Die

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