Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
höheren Löhne waren also klug investiertes Geld.
    Nach kurzem Schweigen begann Delfy, nervös auf den Schreibtisch zu trommeln. Ihm brannte eine Frage auf der Seele, doch vor seinem Mann fürs Grobe wollte er keine Schwäche zeigen. Aber fragen musste er. Allerdings schaute er dabei auf seine Unterlagen und tat so, als wäre die Antwort unerheblich, denn schon der Gedanke, jemand könnte seine Verletzlichkeit erkennen, war ihm zuwider.
    Â»Und?«, begann er schließlich. »Wie ist es gelaufen? Ist alles erledigt?«
    Â»War kein Problem.« Henderson zuckte mit den Schultern. »Sie können sie vergessen.«
    Delfy dachte an das Mädchen namens Alice, das für ihn gearbeitet hatte, ein Mädchen, das er um ein Haar gemocht hätte, doch sie war im Club beim Diebstahl erwischt worden – er hatte keine andere Wahl gehabt.
    Â»Ich möchte nicht –« Delfy suchte nach den richtigen Worten, verfing sich gedanklich und begann noch einmal. »Ich möchte nicht, dass sie jemals wieder erwähnt wird, ist das klar?«
    Â»Klar, Boss.«
    Â»Sag auch den anderen Bescheid, ja?«
    Â»Wird gemacht.«
    Â»Und halte mir die Neuen vom Leib«, ergänzte Delfy gereizt. Bei den Neuen handelte es sich um ein halbes Dutzend frisch engagierte junge Frauen, deren erste Arbeitswoche zu Ende ging. »Ständig kommen sie her und fragen, ob ich einen Drink oder eine Zigarette will. Fängt an, mir auf die Nerven zu gehen. Schließlich bin ich ihr Chef und nicht ihr Freund.«
    Â»Schon klar, Boss. Ich sag ihnen Bescheid.«
    Â»Ich will ihnen ja den Flur nicht verbieten, aber wenn es sein muss, dann …«
    Â»Machen Sie sich keine Sorgen, Boss. Ich kümmere mich darum.«
    Â»Es macht mich einfach – einfach rasend.« Delfy war laut geworden, trotz der Tatsache, dass Henderson ihm beigepflichtet hatte. »Man muss sie an der kurzen Leine halten, ist das klar?«
    Â»Alles klar, Boss, wird geregelt«, antwortete Henderson leise und ruhig, denn so musste man den Chef behandeln, wenn er anfing, sich in Rage zu reden.
    Â»Aber gefälligst heute noch.« Delfy war noch lauter geworden, brüllte fast. »Denn wenn noch mal eine hier im Türrahmen erscheint und behauptet, sie hätte sich im Flur geirrt, wird es ihr leidtun.«
    Â»Ja, Boss.«
    Â»Ich versuche hier nämlich, ein Geschäft zu führen.«
    Â»Sicher, Boss.«
    Â»Sollte ich dir eigentlich nicht mehr erklären müssen.«
    Henderson schwieg. Sein Chef war erregt und dabei, die Fassung zu verlieren, wie immer, wenn er glaubte, eine Situation nicht mehr im Griff zu haben.
    Â»Heute Abend lasse ich mich da draußen nicht blicken«, schloss Delfy erschöpft. Er wollte niemanden mehr sehen. »Sag mir Bescheid, wenn es Probleme gibt oder jemand kommt, mit dem ich reden sollte.«
    Henderson nickte. An den meisten Abenden streifte Delfy für mehrere Stunden durch den Club. Aufgeplustert wie ein Pfau, unterhielt er sich mit den Gästen, verfolgte die Glücksspiele an den einzelnen Tischen, Roulette oder Blackjack, und behielt die Angestellten im Auge, um sicherzugehen, dass sie die Gäste zielführend behandelten. Mitunter spendierte er den Stammgästen ein, zwei Getränke oder auch denen, die unentwegt verloren, aber immer noch gefüllte Brieftaschen hatten.
    Während er den Club durchwanderte, taxierte er die Gesichter. In der Regel kannte er die Namen, Berufe und jährlichen Einkommen seiner Gäste, doch dann und wann stieß er auf Fremde, Männer, die von dem Unicorn durch Flüsterpropaganda gehört hatten oder aufgrund einer persönlichen Empfehlung gekommen waren. Einige von ihnen mussten gehegt und gepflegt werden, andere wollten ihrem jeweiligen Laster in Ruhe frönen, wieder anderen musste die Tür gewiesen werden, ehe sie den Club in Verruf brachten.
    Â»Na dann, wenn es sonst nichts mehr gibt«, bemerkte Delfy zu guter Letzt, schaute Henderson mit gequältem Lächeln an und deutete auf den Papierberg auf dem Schreibtisch.
    Henderson stand auf. »Benson oder ich bringen ihn in Kürze rein«, sagte er, ehe er sich abwandte.
    Â»Ihn?«, fragte Delfy stirnrunzelnd. »Welchen ihn?«
    Â»Montignac. Sie haben gesagt, dass Sie ihn sprechen möchten.«
    Delfy seufzte. »Muss das heute sein?«
    Â»Sie haben gesagt, es sei dringend.«
    Â»Das weiß ich. Na schön. Wann kommt er?

Weitere Kostenlose Bücher