Das Vermächtnis der Montignacs
ich da gestaunt habe?«
»Ich könnte es versuchen«, entgegnete Montignac.
Delfy kniff die Augen zusammen. Sarkasmus war nur ihm gestattet, nicht demjenigen, der auf der anderen Seite des Schreibtisches saÃ. »Das hier ist kein Spiel, Owen.«
»Nein. Natürlich nicht.
»Da lese ich also über den unerhörten Glücksfall Ihres toten Onkels, nur um wenig später zu erfahren, dass Sie letztlich doch nicht erben. So etwas nenne ich einen Schicksalsschlag. Sie müssen sehr enttäuscht gewesen sein.«
»Ich war â sehr überrascht«, gab Montignac zu.
»Ah, die Semantik«, sagte Delfy. »Dann frage ich mich, was ich sein soll? Enttäuscht oder überrascht?«
»Niemand hätte schockierter sein können als ich.«
»Schön, aber trotzdem bleibt die Frage, wie lange ich noch auf mein Geld warten muss.«
Nervös beugte Montignac sich vor. »Bitte, Nicholas, glauben Sie nicht, dass â«
»Nein«, sagte Delfy scharf und hielt eine Hand hoch, »wir kehren zur förmlichen Anrede zurück. Meine Freunde dürfen mich beim Vornamen nennen, aber nicht diejenigen, die mich bestehlen wollen.«
»Ich will Sie nicht bestehlen, Nich-, Mr Delfy. Ich brauche nur noch ein bisschen mehr Zeit.«
»Es geht um eine sehr hohe Summe. Was hatten Sie sich zeitlich denn so vorgestellt?«
»Sechs Monate«, antwortete Montignac, ohne zu wissen, wie er darauf gekommen war.
»Sechs Monate?« Delfy lachte. »Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Der Betrag beläuft sich auf etwas über fünfzigtausend Pfund.« Delfy nickte. »Wenn ich Ihnen als Zeichen meines guten Willens in vier Wochen zehntausend zahle, lassen Sie mir dann noch fünf Monate für den Rest? Sagen wir, bis Weihnachten?«
Delfy atmete schwer und lehnte sich zurück. Dann huschte ein kleines Lächeln um seine Lippen. Der Junge hatte Mut.
»Also zehntausend in vier Wochen?«
»Das ist eine Möglichkeit. Die andere ist, dass Sie mir heute etwas antun, doch das würde bedeuten, dass Sie die Gesamtsumme nie mehr bekommen. Aber Sie können mir vertrauen. In einem Monat haben Sie die erste Rate. Falls nicht, können Sie über mein Schicksal verfügen. Doch wenn es klappt, lassen Sie mir bis Weihnachten Zeit für den Rest.«
Delfy lieà sich den Vorschlag durch den Kopf gehen. Montignac hatte recht. Wenn er dem Jungen jetzt Schaden zufügte, würde er fünfzigtausend Pfund verlieren. Ginge er auf den Handel ein, hätte er wenigstens eine Chance, sein Geld noch einmal wiederzusehen.
»Ich frage mich, wie ernst es Ihnen damit ist, die zehntausend aufzutreiben«, sagte er bedächtig.
»Ich weiÃ, was mich erwartet, wenn ich es nicht tue.«
»In der Tat. Und noch etwas: Wie weit würden Sie gehen, um sich dergleichen zu ersparen?«
Montignac runzelte die Stirn. »So weit, wie ich muss.«
»Freut mich, zu hören. Es gibt Menschen, die eine moralische Scheu daran hindert, die â unschöneren Dinge im Leben zu tun.«
»Gegen solche Impulse würde ich mich wehren«, erklärte Montignac, als wäre dergleichen Ehrensache. »Verlassen Sie sich auf mich.«
»Diebstahl, zum Beispiel, käme für manche nicht infrage.«
»Solche Menschen soll es geben.«
»Andere hätten Hemmungen, jemanden zu verletzen.«
»Auch denkbar.«
»Und dann gibt es noch diejenigen, die nie jemanden ermorden würden, ganz gleich, welche Vorteile ihnen daraus entstünden.«
Montignac öffnete den Mund, um zu antworten, zögerte und überlegte es sich wieder anders.
»Na, schön.« Delfy lächelte in sich hinein. Es war gut, zu wissen, dass es nichts gab, das Montignac nicht tun würde. »Wir schlieÃen Ihr kleines Geschäft ab. Auf die Stunde in vier Wochen ist die erste Rate fällig. Keine Minute später.«
Montignac atmete auf und erhob sich. Aus Sorge, Delfy könnte seine Meinung ändern, wandte er sich eilig ab. »Vertrauen Sie mir«, sagte er auf dem Weg zur Tür.
»Nicht nötig«, antwortete Delfy schulterzuckend. »Ich hoffe, dass wir uns in vier Wochen wiedersehen, und wäre auÃerordentlich enttäuscht, wenn Sie dann nicht erscheinen.«
»Ich werde Sie nicht enttäuschen.« Montignac zog die Tür auf und hastete hinaus auf den Flur.
Allein gelassen, saà Delfy für einen Moment da,
Weitere Kostenlose Bücher