Das Vermächtnis der Montignacs
verdutzt und sahen fragend zu ihrem Vater hoch.
»Nicht doch, Owen«, mahnte Peter. »WeiÃt du nicht mehr, was ich dir auf der Fahrt erklärt habe? In diesem Land wird Englisch gesprochen. Alles andere lassen wir ab sofort bleiben.«
»Oui, mais jâai oublié le mot pour â«
»Da, du machst es schon wieder.«
»Entschuldigung«, sagte er.
Als er aufschaute, starrte Stella ihn an, nicht sein Gesicht, sondern seinen Kopf. Er wusste, dass sie nicht fassen konnte, wie weià sein Haar war.
»Ganz auÃergewöhnlich, nicht wahr?«, sagte Peter, der sah, wohin seine Tochter schaute. »Jetzt wissen wir wenigstens, dass wir ihn im Dunkeln nie verlieren können. Er ist wie eine Fackel. Na komm, mein Junge«, ergänzte er aufgeräumt und legte Owen einen Arm um die Schultern, »lass uns hineingehen. Nach der langen Reise musst du doch müde sein.«
Sie betraten das Haus. Hinter ihm wurde die groÃe Eichentür geschlossen, und er begann sein neues Leben als armer Verwandter.
Montignac schraubte eine neue Röhre in die Leuchte an der Decke und knipste sie an. Alles war perfekt. Das Licht fiel auf ein groÃes Gemälde, von etwa eins achtzig mal eins zwanzig Meter, das aus einer Reihe dunkler werdenden Streifen bestand, jeder mit einem roten Kreis in der Mitte. Die Bedeutung der Streifen und Kreise blieb ihm ein Rätsel, doch wenn man ihn gezwungen hätte, in der Galerie ein Bild auszuwählen, das nicht ganz so unerträglich war wie die anderen, hätte er sich für dieses entschieden. Allerdings hatte es schon seit drei Monaten an dieser Stelle gehangen, ohne einen Käufer zu finden. Montignac nahm an, dass es nicht scheuÃlich genug war.
»Owen.«
Die Stimme erklang in seinem Rücken. Montignac fuhr herum. Er hatte nicht gehört, dass Stella die Treppe heraufgekommen war.
»Stella«, sagte er und rang sich ein Lächeln ab, »du hast mich erschreckt.«
»Bist du so weit?«, fragte sie und sah ihn an. Doch selbst jetzt, nach all den Jahren, schaffte sie es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Wie damals auch, haftete ihr Blick auf seinem Kopf, als könne sie noch immer nicht glauben, dass ein junger Mensch dermaÃen weiÃe Haare hatte.
In solchen Momenten überlegte er, ob es seine Haarfarbe war, die sie nach wie vor faszinierte, oder ob sie seinem Blick ausweichen wollte. Doch nach allem, was sie hinter sich hatten, fiel es auch ihm schwer, ihr in die Augen zu sehen. Er fragte sich, was er tun würde, könnte er die Zeit um zwanzig Jahre zurückdrehen. Wäre er dann auf dem Weg durch den Ãrmelkanal vom Schiff gesprungen oder mit seinem Onkel gefahren und hätte alles, was geschehen war, auf sich genommen?
»Ich glaube, wir müssen reden, Owen«, sagte Stella leise.
»Ja«, entgegnete er, »das müssen wir wohl.«
6
Es war schon weit über die Mittagszeit, als Gareth Bentley gewaschen und angekleidet war und sich bereit fühlte, der feindlichen Welt ins Auge zu sehen. Sein Kater hielt sich zum Glück in Grenzen und machte sich nur durch leises Pochen in den Schläfen bemerkbar. Dennoch schien sein Körper sich dem Leben zu verweigern, denn seine Glieder waren schwer, das Gesicht war bleich, und die Haare fielen strähnig herab. Doch das Haus war ihm zu dieser Tageszeit am liebsten. Dann, wenn sein Vater bei Gericht oder in der Kanzlei war, seine Mutter sich mit ihren Freundinnen zum Lunch verabredet hatte oder einen Einkaufsbummel machte, und Sophie und Nell, falls sie überhaupt da waren, sich in ihre Wohnung verkrochen und ein paar freie Stunden genossen.
Auf Socken tappte er hinunter in die Küche, kochte sich eine Kanne Tee, blätterte durch die Morgenzeitung, die wie immer auf dem Frühstückstisch lag, und stellte â auch wie immer â fest, dass sie nicht viel Interessantes enthielt. Er streckte sich, gähnte ausgiebig und überlegte, ob er auf dem Wohnzimmersofa noch ein wenig vor sich hindösen sollte. In dem Augenblick klingelte das Telefon im Flur, und er schleppte sich dorthin.
»Hallo?«, meldete er sich geistesabwesend. Als niemand antwortete, fragte er noch einmal »hallo?«
»Ja, hallo«, sagte eine mürrische Stimme. »Wer ist da?«
»Wer ist da?«, wiederholte Gareth amüsiert und indigniert zugleich. »Wer soll denn hier sein? Sie sind doch derjenige, der angerufen hat.«
»Und
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