Das Vermächtnis der Montignacs
noch nicht zurückgerufen.«
»Wir haben beide versucht, dich zu erreichen«, sagte Stella. »Aber du gehst ja nie ans Telefon, antwortest nicht auf Briefe â«
»Weil ich sehr beschäftigt bin, Stella«, fiel er ihr ins Wort. »Es gibt Menschen, die für ihr Auskommen arbeiten müssen, denen man nicht alles auf dem Silbertablett serviert.«
Stella seufzte noch einmal und lehnte sich zurück. »Ist es das, worum sich alles dreht?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Owen, von den Plänen meines Vaters wusste ich nichts«, erklärte sie bestimmt. »Rein gar nichts.«
»Nein?«
»Nein. Und selbst wenn ich es gewusst hätte, was aber nicht so war, aber selbst wenn, würde ich mich jetzt nicht dafür rechtfertigen, dass mein Vater in seinem Testament nur mich bedacht hat. Die Tradition der Montignacs war ungeheuerlich, wenn man es sich richtig überlegt. Was mich betrifft, bin ich sogar ziemlich stolz auf meinen Vater, denn er hat um einiges fortschrittlicher als seine Vorgänger gedacht. Liebe Güte, inzwischen dürfen Frauen ja sogar wählen. Im Vergleich dazu scheint mir das Erbe der Montignacs eher zweitrangig.«
In dem Moment ertönte die Glocke über der Eingangstür. Zwei weitere Kunden kamen herein und traten mit prüfendem Blick zu einer etwas obszönen Skulptur, die so dicht an Montignacs Schreibtisch stand, dass sie nicht weiterreden konnten. Montignac nickte zu dem leeren Zwischengeschoss hinauf. Er und Stella standen auf und gingen die Treppe hoch.
Als sie wieder allein waren, sagte Montignac: »Mich stört, wie mich jeder für mein Pech bedauert. Als wäre ich einzig und allein an Geld interessiert. Warum sollte es mir etwas ausmachen, dass dein Vater sich entschieden hat, mir nichts zu hinterlassen?«
»Aber es macht dir doch etwas aus.«
»Ich habe dem keinen weiteren Gedanken geschenkt«, entgegnete er obenhin.
Stella starrte ihn an. »Warum glaubst du, hat er es getan?«, fragte sie. »Könnte Margaret etwas damit zu tun gehabt haben?«
»Spielt das noch eine Rolle?«
»Vielleicht nicht. Ich möchte ja auch nur wissen, ob du mich wegen etwas, das mein Vater getan hat, für den Rest meines Lebens ignorieren wirst, oder ob ich meinen Cousin zurückbekommen werde? Was von beidem ist es?«
Diesmal war es Montignac, der seufzte, denn in ihren Augen erkannte er zum einen, dass sie unglücklich war, und zum anderen, wie viel sie für ihn empfand. Das Gleiche hatte er einmal für sie empfunden, doch es widerstrebte ihm, daran zu denken. Er überlegte, wie einfach es wäre, näher an sie heranzutreten, sie hochzuheben und über die Balustrade unten auf den Boden zu schmettern. Wie viele Probleme mit diesem einfachen Schritt gelöst wären. Als sie Kinder waren, gab es ein Spiel, das er sich ausgedacht hatte. Dabei standen sie sich gegenüber, und jeder musste so lange wie nur möglich schweigen. Doch jedes Mal stampfte er irgendwann mit dem Fuà auf und sprang auf sie zu, allerdings ohne sie zu berühren, woraufhin sie jedes Mal aufschrie und zurücktaumelte. Sie hatten es jahrelang gespielt, ein ums andere Mal, aber nicht ein einziges Mal hatte sie es geschafft, sich auf den Angriff vorzubereiten und stumm und eisern stehen zu bleiben. Und jetzt hatte er diese andere Idee, die sich ungebeten in seinen Kopf gestohlen hatte. Er warf einen Blick nach unten. Zwei der Kunden hatten die Galerie verlassen, die anderen waren nicht zu sehen. Niemand würde ihm jemals auf die Schliche kommen oder in der Lage sein, ihm etwas zu beweisen â und er war ihr einziger Erbe. Er riss sich zusammen, versuchte, seinen Kopf leer zu machen und nicht mehr daran zu denken.
Wieder ertönte die Türglocke. Montignac schaute nach unten. Jason Parsons war zurückgekehrt, hatte zum Lunch Sandwiches dabei, schaute hoch und wedelte mit einer Tüte. Auch Stella warf einen Blick nach unten, wirkte wenig erfreut und wandte sich zu ihm um.
»Ich dachte, wir beide würden irgendwo zusammen essen.«
»Ich kann nicht«, entgegnete er. Um der Versuchung zu widerstehen, trat er einen Schritt zurück. »Später am Nachmittag erwarten wir eine Lieferung, und bis dahin müssen wir Platz freiräumen. Ich fürchte, für mehr als ein Sandwich am Schreibtisch fehlt mir die Zeit.«
Enttäuscht wandte sie sich ab und trat zu dem Bild mit den
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