Das Vermächtnis der Montignacs
schaudernd.
»Du ahnst nicht, wie grauenhaft.« Alexander seufzte. »Seit einer halben Stunde bin ich auf Seite hundertdreiundvierzig und weià noch immer nicht, um was es geht. Dabei habe ich jeden Satz sorgfältig gelesen und versucht, ihn in das Vorherige einzuordnen, aber ich verstehe nicht das Geringste und muss bis morgen Abend fünfhundert Wörter darüber geschrieben haben.«
»Was für eine Qual«, sagte Gareth. »Wirst du es verreiÃen?«
»Um Gottes willen«, erwiderte Alexander. »Niemals. Ich wette, in ein paar Jahren wird man es an den Universitäten behandeln, deshalb werde ich mich hüten, etwas Negatives zu schreiben, sonst heiÃt es später noch, ich sei der Bursche, der damals ein Genie verkannt hat. Aber was sagt man über etwas, das einem absolut schleierhaft ist? Vielleicht sollte ich schreiben, dieser Roman entzieht sich jeder einfachen Erklärung. Ein einfältiges Konzept wie eine zusammengefasste Handlung wäre daher eine Beleidigung des Autors und seiner Kunst . Und dann bringe ich noch ein bisschen was über die Metaphern und so weiter unter.«
»Das mit dem inneren Monolog war doch auch ganz gut«, schlug Gareth vor.
»Klar, das wird ebenso eingestreut. Ich werde dafür sorgen, dass alles unglaublich gescheit klingt, und schon ist jeder glücklich.«
»Mit Ausnahme der armen Wichte, die einen Shilling und Sixpence ausgeben, um dieses Meisterwerk zu erstehen.«
»Stimmt«, gab Alexander zu. »Aber dafür kann ich nichts, oder? Sie sollten es besser wissen, als auf mich zu hören.«
Gareth grinste und schaute noch einmal in die Runde. Ein Mann, der früher einmal Innenminister gewesen war, döste in einer Ecke, eine Zigarre im Mundwinkel. Ein Speichelfaden sickerte aus seinem Mundwinkel und kroch langsam hinunter zum Kinn. Angeekelt wandte Gareth den Blick ab. In einer anderen Ecke saÃen zwei Männer beim Kartenspiel, und Gareths unschöne Erinnerungen an den Roulettetisch kehrten zurück. Alexander sah, wohin er blickte, und erriet seine Gedanken.
»Dass du gestern Abend dreiÃig Pfund verloren hast, war wirklich Pech«, sagte er. »Jasper ist ein Schwein, wenn er andere Leute dazu ermuntert, ihr Geld zu verschwenden. Sein eigenes verschwendet er nie.«
»Auf die Erfahrung hätte ich eindeutig verzichten können«, entgegnete Gareth.
»Aus Erfahrung wird man klug. Beim nächsten Mal wirst du nicht mehr mit so hohem Einsatz spielen. Ich muss zugeben, dass ich mir aus Roulette noch nie viel gemacht habe. Ist mir zu sehr vom Zufall abhängig. Lieber spiele ich eine schöne Runde Poker oder Whist. Dazu gehört wenigstens ein bisschen Geschick.«
»Ich glaube, ich eigne mich nicht zum Spieler«, sagte Gareth.
»Wahrscheinlich würde es auch keinen guten Eindruck machen, wenn das jüngste Mitglied der Kanzlei Rice an einem Spieltisch gesehen würde.« Alexander lachte. »Aber du hattest ja Geburtstag.«
»Darüber wollte ich mit dir reden. Erinnerst du dich noch, wie ich dir gesagt habe, was ich von meinem Eintritt in die Kanzlei halte?«
»Ja.«
»Gut, denn als ich gestern Abend aus dem Unicorn kam und auf ein Taxi gewartet habe, bin ich zufällig auf deinen Freund Montignac gestoÃen, und wir sind ins Gespräch gekommen.«
»Zufällig auf ihn gestoÃen?«, fragte Alexander. »Mir war, als wärst du aufgesprungen und ihm nachgeeilt.«
»Nein.« Gareth runzelte die Stirn. »Für mich war lediglich die Zeit zum Aufbruch gekommen.«
Alexander stutzte und überlegte. Dann nickte er. »Montignac ist ein guter Kerl.«
»Den Eindruck hatte ich auch«, erklärte Gareth. »Wir haben uns ein Taxi geteilt. Das bot sich so an, da er am Bedford Place wohnt und ich am Tavistock Square.«
»Ich weiÃ, wo er wohnt«, erwiderte Alexander. »Auch wenn ich noch nie in seiner Wohnung war, dafür aber schon häufig in Leyville. Das ist sein Familiensitz, musst du wissen.«
»Davon habe ich gehört. Wie gut kennst du ihn eigentlich?«
»Owen? Oh, den kenne ich schon seit ewigen Zeiten.« Alexander kramte in seinem Gedächtnis. »Ich glaube, seit wir â lass mich nachdenken â seit wir ungefähr sieben Jahre alt waren. Wir haben uns in Eton kennengelernt, uns während der gesamten Schulzeit ein Zimmer geteilt und sind dicke Freunde
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