Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
Losungswort, als in einer kalten Dezembernacht des Jahres 1745 ein französisches Kriegsschiff an der Küste Schottlands anlandete, um meinem Vater die vom französischen König versprochene Hilfe zu bringen.«
»Die nächste Lüge«, konterte Scrymgour. »Der König von Frankreich hatte Hilfe zugesagt, aber wie jedermann weiß, hat er sein Wort gebrochen. Die zugesicherten Truppen haben Charles Edward nie erreicht. Es war einer der Gründe für die vernichtende Niederlage, die er bei Culloden erlitten hat.«
»Nein«, widersprach Brighid mit lauter, kristallklarer Stimme. »Der König von Frankreich hatte Hilfe geschickt. Zwar nicht in Gestalt von Soldaten, sondern in Form eines Schatzes von einhundert Goldbarren, die jenes französische Schiff nach Schottland brachte. Mein Vater hätte es verwenden sollen, um damit irische und holländische Söldner anzuwerben.«
»Von einer solchen Lieferung ist mir nichts bekannt.«
»Natürlich nicht, denn das Unternehmen misslang. Verräter aus den eigenen Reihen fingen den Transport ab, metzelten die französischen Seeleute nieder und brachten das Gold an einen sicheren Ort. Doch in den Jahren, die folgten, fanden alle diese Männer ihren gerechten Lohn und starben eines gewaltsamen Todes. Und so liegt die Beute bis zum heutigen Tag an jenem Ort versteckt.«
»Unsinn.«
»Das ist kein Unsinn, Scrymgour«, beharrte sie, und ein triumphierendes Lächeln schlich sich in ihre Züge. »Dieses Gold ist noch immer da und wartet darauf, gefunden zu werden – und ich kenne den Weg.«
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4
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Kelso
6. März 1826
»Lieber Master Quentin, so sehr ich mich auch über das Wiedersehen freue, unter anderen Voraussetzungen wäre es mir noch weitaus angenehmer.«
John Slocombe hatte sich kaum verändert.
Das Haar des Sheriffs war ein wenig schütterer geworden und seine knollenförmige Nase noch ein wenig röter; davon abgesehen, schien er in den vergangenen vier Jahren jedoch ganz derselbe geblieben zu sein. Noch immer schien seine Liebe dem Scotch zu gehören, und noch immer bekleidete er das Amt des obersten Ordnungshüters von Kelso.
»Das geht mir nicht anders«, versicherte Quentin, der Slocombes Amtsstube aufgesucht hatte, die sich in der Mitte des Dorfes am Marktplatz befand. Im Zuge der wundersamen und oftmals grausigen Ereignisse, die seinen Onkel und ihn auf die Spur der Runenbruderschaft geführt hatten, waren sie beide öfter hier gewesen, und es war fast bestürzend zu sehen, wie wenig sich seither verändert hatte. Noch immer stand das Ungetüm von Eichenholztisch in der Mitte des Raumes, noch immer waren die Regale vollgestopft mit allerlei Unrat, und noch immer suchte Slocombe seine Trunksucht zu verbergen, indem er Gläser und Flaschen an allen möglichen Orten versteckte.
»Vier Jahre!«, rief der Sheriff aus, während er sich erhob und seinen Schreibtisch umrundete. »Vier Jahre und nicht ein einziger Zwischenfall! Und kaum bist du hier, bringst du mir schon wieder eine Leiche!«
»Das bedaure ich wirklich sehr«, beteuerte Quentin, dem die Angelegenheit tatsächlich peinlich war. »Aber ich habe diesen Gentleman gewiss nicht gebeten, des Nachts in das Anwesen meines Onkels einzudringen.«
»Ein Einbruch also.«
»Wie ich schon sagte«, fasste Quentin noch einmal zusammen. »Der Vermummte verschaffte sich widerrechtlich Zutritt zu Abbotsford, wobei wir ihn überraschten und zu stellen versuchten. Daraufhin ergriff er die Flucht, und wir verfolgten ihn. Als er ein Messer zog und uns angreifen wollte, wurde er erschossen.«
»Abbotsford«, echote Slocombe, jähe Hoffnung schöpfend. »Dann bist du bei mir falsch, mein Junge. Der Sheriff von Galashiels ist dafür zuständig. Wäre dein Onkel noch am Leben, hätte er dir das gesagt.«
»Nun, Sir«, meinte Quentin und biss sich auf die Lippen – er konnte ja unmöglich sagen, dass es genau dieser vermeintlich verstorbene Onkel gewesen war, der ihn geradewegs zu Slocombe geschickt hatte. »Tatsächlich verhält es sich so, dass einer der«, – er nahm die Hand vor den Mund und räusperte sich – »Hausbediensteten davon überzeugt ist, den Eindringling aus Kelso zu kennen und ihn hier schon öfter gesehen zu haben. Aus diesem Grund hat mich mein Weg als Erstes zu Ihnen geführt.«
»So, so.« Die Hoffnung schwand so schnell aus Slocombes Augen, wie sie dort aufgetaucht war. Er stieß eine halblaute Verwünschung aus. Auch an seiner Einstellung zur Pflicht schien sich in den vergangenen vier Jahren
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