Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
brannte, verbreitete wohlige Wärme und beleuchtete das Innere der Hütte mit flackerndem Schein. Davor stand die geheimnisvolle Frau, die so überaus unerwartet in sein Leben getreten war und die, wie er inzwischen wusste, eine Betrügerin war.
»In Edinburgh«, gab er bekannt.
»Drei Tage lang?« Sie schnaubte.
»Ich habe dort Erkundigungen eingeholt«, entgegnete er ruhig.
»Und? Sind Sie jetzt klüger?«
Er nickte. »Jedenfalls klug genug, um zu wissen, dass Sie, Ihre Herkunft betreffend, gelogen haben.«
»Tatsächlich?« Wenn seine Worte sie trafen, so ließ sie es sich nicht anmerken.
»Charles Edward Stewart, von dem Sie behaupten, dass er Ihr Vater war, starb im Jahr 1788. Es gibt also noch genügend Zeitzeugen, die sich seiner erinnern. Und nicht einer von ihnen kann sich entsinnen, dass unser guter Prinz Charlie eine Tochter gehabt hätte.«
»Nun«, erwiderte sie, »vielleicht liegt das ja daran, dass das Erinnerungsvermögen Ihrer Freunde gelitten hat. Oder daran, dass sie ihren Prinzen nicht annähernd so gut kannten, wie sie sagen.«
»Sie bleiben also bei Ihrer Behauptung?«
»Es ist die Wahrheit.«
Scrymgour lachte auf. »Wahrheit ist etwas, mit dem sich Philosophen beschäftigen. Ich für meinen Teil pflege mich an die Wirklichkeit zu halten, an unwiderlegbare Fakten.«
»Dann schaffen Sie Fakten!«, forderte sie ihn auf. »Rufen Sie Ihre Männer zusammen und lassen Sie mich vor ihnen sprechen!«
»Und Sie denken, man würde Ihnen Glauben schenken? Haben Sie eine Ahnung, wie viele Betrüger schon behauptet haben, von Bonnie Prince Charlie abzustammen?« Scrymgour schüttelte den Kopf. »Meine Mitbrüder haben sich schon einmal von großen Worten verführen lassen, und es hätte beinahe zu ihrem Untergang geführt. Das hat sie misstrauisch werden lassen.«
Sie musterte ihn, und einen Augenblick lang war nicht zu erkennen, ob sie wütend oder mit Gleichmut reagieren würde. »Das ist ihr gutes Recht, Scrymgour«, sagte sie dann. »Aber ich versichere Ihnen, dass diese Männer mir bald schon treu ergeben sein werden. Und spätestens dann ist es an der Zeit, auf diese Maskerade zu verzichten.«
»Wir werden sehen«, sagte Scrymgour nur.
»Kommen Sie sich damit nicht allmählich lächerlich vor? Ich bin nur eine Frau und trage meine Züge unverhüllt, während Sie sich feige verstecken.«
»Überlassen Sie das mir«, entgegnete Scrymgour barsch. Er mochte es nicht, wenn er die Kontrolle verlor. Unter Malcolm of Ruthven war genau das geschehen, und er war wie alle anderen von der Lawine der Ereignisse erfasst und hinfortgerissen worden. Das wollte er diesmal vermeiden, und das bedeutete, dass er vorsichtig sein musste. Dass sie seinen Namen kannte, war eine Sache – es bedeutete jedoch nicht zwangsweise, dass sie auch das Gesicht dazu kannte.
»Malcolm of Ruthven wollte die Macht, das ist wahr, aber er hatte nichts, um diesen Anspruch zu untermauern«, erklärte sie und ballte die Faust. »Ich jedoch bin eine echte Stewart und damit legitime Erbin des Throns.«
»Dann beweisen Sie es«, entgegnete Scrymgour schlicht.
Im flackernden Schein des Feuers sah sie ihn an, ohne dass zu erkennen gewesen wäre, was sie dachte. Dann wandte sie sich abrupt von ihm ab. Als sie sich ihm wieder zuwandte, blitzte ein kleiner Gegenstand in ihrer Hand.
Es war ein Ring.
»Dieses Schmuckstück«, verkündete sie dazu mit bebender Stimme, »beweist meine Herkunft. Einst gehörte es Edward Charles Stewart, meinem Vater. Als Unterpfand für seine Liebe schenkte er es meiner Mutter, die es an mich weitergab.«
»Zeigen Sie her.« Scrymgour streckte verlangend die Hand nach dem Kleinod aus, doch sie gab es ihm nicht. Stattdessen trat sie selbst vor und zeigte es ihm aus der Nähe.
»Der Ring ist ein Geschenk des König von Frankreichs an meinen Vater gewesen«, erklärte sie dazu, »deshalb ist die französische Lilie darauf eingraviert. Die Schrift jedoch, die den Ring umläuft, ist in keltischer Sprache gehalten. Sie lautet fhìor rìgh . Sind Ihnen diese Worte bekannt?«
»Natürlich.« Scrymgour blickte auf. »Sie bedeuten der wahre König. In der Zeit vor Culloden war es die Losung der königstreuen Patrioten.«
»Glauben Sie mir nun?«
»Ein interessantes Detail, zweifellos«, entgegnete Scrymgour und verschränkte ablehnend die Arme vor der Brust. »Aber noch längst kein Beweis dafür, dass Sie diejenige sind, die Sie zu sein behaupten.«
»Dann passen Sie gut auf: Fhìor rìgh war auch das
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