Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
Franzosen nach Florenz, wohin Charles Edward sich zurückgezogen hatte, und es oblag ihrem treuen Diener Manus, die Wahrheit ans Licht zu bringen.
Es entzog sich Brighids Kenntnis, wie viele Menschen diese Suche nach der Wahrheit mit dem Leben bezahlten; unerbittlich folgte Manus der Spur der Verräter, dabei tötete er auf Charlottes Anweisung hin jeden, der von dem Schatz erfahren haben mochte. Doch auch Charles Edwards Tochter war es nicht vergönnt, das Gold in Händen zu halten – sie starb wenige Wochen, ehe Manus den entscheidenden Hinweis fand.
Nach erfolgreich beendeter Mission, jedoch ohne Auftraggeber, zog sich der Diener zurück. Das Gold versteckte er so, dass es nur ein Mitglied der Familie Stewart finden könnte, den Rest seines Lebens verbrachte er in selbstgewählter Einsamkeit. Ob er seine blutigen Taten je bereut hatte, entzog sich Brighids Kenntnis, aber sie wusste jetzt, dass er am Ende seines Lebens bitter dafür bezahlt hatte, und dieses Wissen gab ihr Trost.
Dass er allerdings ausgerechnet diesen Ort ausgewählt hatte, um das Gold zu verbergen, entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Zwar stand auch er in Zusammenhang mit der Geschichte der Familie Stewart, war einst in dunkler Stunde der Aufbewahrungsort der königlichen Herrscherinsignien gewesen; doch befand er sich auch in unmittelbarer Nähe genau jener Bucht, in der vor mehr als achtzig Jahren die Espérance geankert hatte, um das Gold nach Schottland zu bringen.
Zum ungezählten Mal öffnete Brighid den ledernen Köcher, den Winston ihr übergeben hatte, und entrollte das Stück Papier, das sich darin verbarg. Es war eine Karte, mit ungelenker Hand gezeichnet, jedoch gut lesbar, und sie bezeichnete die genaue Stelle, an der das Gold versteckt war.
Tief unter der Erde.
Im dunklen Fels.
»Da kommt er!«
Mary hatte sich nach vorn gebeugt, um aus dem Fenster der Droschke spähen zu können, in der Sir Walter und sie Platz genommen hatten, während Quentin zu Pferd ritt und dafür sorgte, dass sie nicht den Anschluss verloren.
Beherzt sprengte er auf seinem Rappen heran und zügelte ihn, lenkte ihn dann so neben die Kutsche, dass er durch die Fenster sehen konnte. Rasch zerrte er den Schal herab, den er sich vor Mund und Nase geschlagen hatte, um sich vor der rauen Luft zu schützen. »Ich habe sie gesehen«, berichtete er aufgeregt, »McCauley und Chamberlain.«
»Bist du sicher?«
Quentin nickte. »Sie haben die Nacht in einer Herberge in der Nähe von Kirkcaldy verbracht und reiten jetzt weiter nach Nordwesten, Richtung Küste.«
»Was wohl ihr Ziel sein mag?«, rätselte Mary.
»Wer weiß?« Sir Walter zuckte mit den Schultern. »Aber ich bin sicher, dass sich das Geheimnis bald lüften wird.«
»Wer hätte gedacht, dass die beiden zusammenarbeiten?«, fragte Quentin, der sein Pferd nun in leichtem Trab neben der Kutsche her lenkte.
»In der Tat«, stimmte Sir Walter zu. »Bei dem großen Interesse, das Chamberlain an Abbotsford bekundet hat, bin ich davon ausgegangen, dass er es ebenfalls auf den Schatz abgesehen hat, deshalb habe ich Quentin den Auftrag erteilt, ihm zu folgen. Über den Schatz wollte ich wieder an unseren alten Freund McCauley herankommen. Doch wie sich nun zeigt, stecken Chamberlain und er unter einer Decke.«
»Dann haben die beiden von Anfang an zusammengearbeitet?«, fragte Mary. »Als Komplizen?«
»Ich weiß nicht recht«, entgegnete Sir Walter. »Wenn es so gewesen sein sollte, warum hat McCauley dann schon an Bord des Schiffes eure Nähe gesucht? Warum hat er versucht, in die Bibliothek einzudringen, wenn er doch hoffen konnte, dass Abbotsford schon bald zur Gänze verkauft würde? All das könnte auch darauf hindeuten, dass die beiden zunächst unabhängig voneinander agierten. Bis sie irgendwann entdeckten, dass sie dasselbe Ziel verfolgen, und sich daraufhin verbündet haben.«
»Und das bedeutet?«, fragte Mary.
»Dass die Allianz der beiden möglicherweise nicht mehr als ein Zweckbündnis ist«, folgerte Sir Walter, »und vielleicht wird uns dieses Wissen noch nützlich sein.«
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19
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Dunnottar Castle
Nachmittag des 17. März 1826
»Wir sind da.«
Winston McCauley brachte sein Pferd zum Stehen.
Sie waren den ganzen Tag über geritten, und Milton Chamberlain hatte sich abwechselnd darüber beschwert, dass es einerseits nicht seinem Verständnis eines Gentleman entsprach, stundenlang im Sattel zu sitzen, und dass er andererseits noch nicht einmal das Ziel ihrer Reise kenne.
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