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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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nicht dagegen, auch dann nicht, als er sie noch enger an sich zog und ihren Hals liebkoste. Ihre Hände zerwühlten sein Haar, wie sie es früher oft getan hatte, und erstmals seit langer Zeit wich sie nicht vor ihm zurück, sondern drängte sich an ihn, begierig und verlangend. Kurzerhand hob er sie hoch und trug sie zum Bett, und von dem Moment an, da er sie sanft niederlegte und sie einander tief in die Augen blickten, schien die Zeit für beide stillzustehen.
    Vergessen waren Abbotsford und die Verschwörung gegen Sir Walter, vergessen Chamberlain und der ominöse Schatz aus Gold, vergessen die dunklen Wolken, die sich über Schottland zusammengezogen hatten, vergessen selbst, was ihnen widerfahren war. In diesem Augenblick gab es nur sie beide, zählte nur die Gegenwart.

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    17
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    Es war derselbe Traum, den sie schon so viele Male gehabt hatte. Sie wusste es, noch während sie träumte, dennoch konnte sie ihm nicht entrinnen.
    Sie standen am Abgrund, sie selbst, zusammen mit mehreren verschwommenen Gestalten, die alle wild durcheinanderredeten. Mary konnte nicht verstehen, was sie sagten, aber aus den wenigen Fetzen, die sie aufschnappte, folgerte sie, dass ein Streit im Gang war. In den sie umgebenden Schemen glaubte sie Quentin und Sir Walter zu erkennen sowie eine weitere Gestalt, die sie jedoch nicht zu benennen vermochte. Was genau vor sich ging, entzog sich ihrem Verständnis, sie war nur ein Zuschauer, der atemlos verfolgte, was vor sich ging. Doch auch sie spürte den eisigen Hauch, der ihr aus der Tiefe entgegendrang, den kalten Odem des Todes. Panik erfasste sie, und sie versuchte zu schreien, doch nicht ein einziger Laut drang aus ihrer Kehle – und im nächsten Augenblick stürzte eine der Gestalten kopfüber in den gähnenden Abgrund …
    »Nein!«
    Mit einem scharfen Atmen fuhr Mary in die Höhe.
    Ihr Herz pochte wild, kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn. Sie brauchte einen Moment, um sich zurechtzufinden, atmete erleichtert auf, als sie feststellte, dass sie sich noch immer in der kleinen Dachkammer befand, die ihnen als Unterschlupf diente. Quentin lag neben ihr und schlief, sie hatte ihn nicht geweckt.
    Sanft strich sie ihm eine Strähne seines rötlichen Haars aus dem Gesicht, lächelte beim Gedanken an das, was sie zusammen getan hatten, an seine Zärtlichkeit und Liebe. Dann musste Mary wieder an den Traum denken, den sie gehabt hatte, und eine unbestimmte Furcht ergriff von ihr Besitz.
    In diesem Moment war von draußen gedämpfter Hufschlag zu hören. Mary reckte sich, vermochte vom Bett aus jedoch nicht aus dem Fenster zu spähen, also schwang sie sich auf die Beine, huschte halbnackt und barfüßig zum Fenster.
    Dem Mond nach zu urteilen, der hoch am Himmel stand und als verschwommene Scheibe jenseits der Wolken auszumachen war, war es weit nach Mitternacht; die Lichter im Old Harbor Inn waren längst erloschen, dennoch hatte ein einzelner Reiter sein Pferd vor dem Gasthaus gezügelt und stieg ab. Er trug Umhang und Zylinderhut, sodass weder seine Gestalt noch seine Gesichtszüge zu erkennen waren; dennoch kam etwas an der Art und Weise, wie er sich bewegte, Mary bekannt vor, und noch ehe der Neuankömmling die Pforte der Herberge erreicht hatte und an die Tür klopfte, war sie sich sicher, keinen anderen als Winston McCauley vor sich zu haben.
    Die Erkenntnis traf sie wie ein Hammerschlag.
    Wenn McCauley zu nachtschlafender Zeit hier eintraf, so konnte dies kein Zufall sein. Er war hier, um sich mit Chamberlain zu treffen!
    Was dies genau bedeutete, vermochte Mary im Augenblick noch nicht abzuschätzen, aber der eisige Schauer, der sie durchrieselte, machte ihr klar, dass Sir Walter einmal mehr nur zu recht gehabt hatte: Das Rätsel war um vieles verworrener, als es zunächst den Anschein gehabt hatte.
    Plötzlich verharrte McCauley.
    Abrupt drehte er sich um, spähte rings in die Dunkelheit, als wähnte er sich beobachtet. Erschrocken fuhr Mary vom Fenster zurück in die dunkle Tiefe der Kammer.
    Hatte er sie gesehen?
    Wohl nicht.
    Sie ging zum Bett, um Quentin zu wecken.
    Ihre Jagd hatte eine unerwartete Wendung genommen.
    »Sie sehen überrascht aus.«
    »Das bin ich auch«, gestand Milton Chamberlain, der im Hausmantel vor dem offenen Kamin seiner Kammer saß und eine Zigarre rauchte. »Offen gestanden habe ich nicht gedacht, Sie hier noch anzutreffen.«
    »Warum nicht?« Winston McCauley, der auf der Schwelle stand, den schweren Reitermantel noch um die

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