Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
hätte.«
»Das war nicht Sir Walter«, widersprach Mary, die sich nun ebenfalls wieder gefasst hatte, »das haben Sie selbst getan, indem Sie auf einen größenwahnsinnigen Mörder wie Malcolm of Ruthven hörten!«
»Die Überraschungen wollen heute offenbar kein Ende nehmen«, stellte der Vermummte sarkastisch fest. »Nicht nur unser Erzfeind ist zu uns zurückgekehrt, sondern auch die liebreizende Lady Mary of Egton.«
»Mary Hay«, verbesserte Quentin energisch.
»Natürlich.« Ein leises Lachen drang unter der Fuchsmaske hervor. »Das Schicksal scheint es in diesen Tagen wirklich gut mit uns zu meinen. Nicht genug damit, dass unsere Pläne endlich aufgehen, gibt es uns auch noch Gelegenheit, uns an all jenen zu rächen, die für unseren Niedergang verantwortlich waren, uns zu revanchieren für all die Jahre der Verfolgung und der Furcht!«
Seine Stimme war unverhohlen bedrohlich geworden. Die Runenbrüder, die sie umzingelt hatten, traten mit gezückten Waffen näher. Namenloser Hass schlug Sir Walter, Quentin und Mary aus den Sehschlitzen der Masken entgegen.
»Ergreift sie«, befahl der Anführer. »Fesselt sie!«
Schon wollten einige der Sektierer sie packen, als Quentin die Pistole in den Anschlag riss, die er bislang geschickt verborgen hatte. »Halt!«, rief er dazu. »Keinen Schritt weiter!«
»Ist das Ihr Ernst?«, fragte der Vermummte. »Glauben Sie wirklich, dass Sie sich damit gegen uns behaupten können?«
»Nein«, gab Quentin zu, während er abwechselnd auf die Sektierer zielte. Unablässig zuckte der Doppellauf der Pistole hin und her. »Aber einen oder zwei von Ihnen wird es erwischen.«
»Wenn Sie in der Aufregung überhaupt treffen«, gab der andere zu bedenken. »Und was geschieht dann? Womit wollen Sie sich unserem Zugriff weiter entziehen? Mit bloßen Fäusten?«
»Er hat recht«, pflichtete Sir Walter ihm bei, und noch ehe Quentin widersprechen konnte, fügte er hinzu: »Ich ergebe mich! Nehmen Sie mein Leben, wenn Sie müssen, aber lassen Sie meinen Neffen und seine Frau gehen!«
»Nein!«, schrie Quentin entsetzt. Aber der Anführer der Sektierer dachte gar nicht daran, sich auf einen Handel einzulassen.
»Sie bieten mir etwas an, Scott, das mir längst gehört«, knurrte er spöttisch. »Ergreift sie und fesselt sie, Männer. Und was die Frau betrifft …«
»Alarm!«, scholl es in diesem Moment von den Überresten des Burgfrieds herab, wo die Runenbrüder ebenfalls einen der Ihren postiert hatten. Vermutlich hatte er schon die ganze Zeit über dort oben gehockt und Sir Walter und die Seinen beim Eindringen in die Burg beobachtet.
»Was gibt es?«, wollte der Wortführer wissen.
»Rotröcke!«, meldete der Posten. »Königliche Dragoner! Sie sind auf dem Weg hierher!«
»Verdammt, wie kann das sein?«
Unruhe brach aus, nicht nur beim Anführer, sondern auch bei seinen Leuten. Auch wenn sie nach außen hin so düster und bedrohlich wirkten wie eh und je – die Erfahrungen, die sie vor vier Jahren gemacht hatten, schienen den Sektierern noch tief in den Knochen zu stecken.
»Da fragst du noch?«, rief ein anderer und richtete seine Pistole auf Sir Walter. »Er ist es gewesen! Er hat uns die Engländer auf den Hals gehetzt, und er wird dafür bezahlen!«
Sein Finger krümmte sich am Abzug, doch noch ehe er ihn betätigen konnte, krachte ein Schuss.
Quentin hatte gefeuert, um seinem Onkel das Leben zu retten, und nun überschlugen sich die Ereignisse.
Der Vermummte wurde zurückgeworfen, als das aus nächster Nähe abgefeuerte Blei seine Schulter durchschlug. Gleichzeitig war von außerhalb der Mauern ein gellendes Trompetensignal zu vernehmen. Der Schuss hatte die Dragoner alarmiert, die nun gewarnt waren und zum Angriff übergingen.
Panik brach unter den Sektierern aus.
Viele, darunter der Kerl mit der Fuchsmaske, ergriffen die Flucht, einige stürmten auf die Überreste der Wehrgänge, um die Burg zu verteidigen. Niemand kümmerte sich um den Verwundeten, der am Boden lag und wie von Sinnen schrie – und auch die Gefangenen waren plötzlich nicht mehr von Interesse.
Nur einen Augenblick lang standen Sir Walter und die Seinen unentschlossen, dann liefen sie los. Statt sich jedoch in Richtung Burgtor zu wenden, wohin die meisten der Runenbrüder flohen, zogen sie sich ins Innere der Festung zurück, in den zweiten Hof mit den Überresten des Palasts, des einzigen noch halbwegs intakten Gebäudes der Anlage.
»Dort hinein! Los!«, drängte Sir Walter, der sich
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