Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
Verwünschung aus, denn diese Gestalten und ihr Erscheinen stammten aus dunkler Vergangenheit.
Einer Vergangenheit, die sie nun eingeholt hatte.
Der Gang führte steil in die Tiefe.
Vom Palast aus waren sie in dessen Keller gelangt und in die dunklen Verliese. Ohne die Karte wäre ihre Suche dort bereits zu Ende gewesen. So jedoch wussten sie, dass eine der Bodenplatten lose war und sich anheben ließ. Durch sie waren McCauley, Brighid und Scrymgour in das verborgene Labyrinth gelangt.
Teils von Hand in den Fels getrieben, größtenteils aber aus natürlichen Höhlen bestehend, reihten sich unzählige Gänge und Gewölbe aneinander, verzweigten sich und führten bald hierhin, bald dorthin, sodass sich die drei Eindringlinge wohl unrettbar verirrt hätten, hätten sie nicht den Wollfaden gehabt, der ihnen unmissverständlich anzeigte, welchen Gang sie bereits genommen hatten und welchen nicht. Vom Fackelschein begleitet, drangen sie immer weiter in das Höhlenlabyrinth vor, das sich tief unter der Burg befand – bis sie endlich ein leises Rauschen vernahmen.
»Hört ihr das auch?« McCauley, der vorausging, war stehen geblieben.
»Wasser«, bestätigte Brighid.
»Vermutlich die Brandung«, nahm Scrymgour an. »Wir müssen inzwischen schon sehr tief sein.«
»Nein, das ist etwas anderes.« Erneut nahm sie die Karte zur Hand und entrollte sie, warf einen prüfenden Blick darauf. »Laut dieser Aufzeichnung muss es hier unten eine Art Fluss oder Wasserfall geben. Dort ist der Schatz versteckt.«
»Dann sind wir wohl auf dem richtigen Weg«, folgerte McCauley und ging weiter.
Die Höhle, in der sie sich befanden, wurde zunehmend flacher, sodass sie sich schließlich bücken mussten; die Fackeln hinterließen dunkle Rußspuren am Fels. Zudem war es merklich kühler geworden, Wasser sammelte sich in kleinen Pfützen am Boden, und das Rauschen nahm zu.
Durch einen niederen Durchgang, den sie nur auf allen vieren passieren konnten, gelangten sie in eine weitere Höhle, in der es von Tropfsteinen wimmelte; ein ganzer Wald der eigentümlichen Gebilde, von denen viele zum Boden reichten und wie bizarre Säulen aussahen, breitete sich vor den drei Schatzsuchern aus; jenseits davon, geheimnisvoll im fackelbeschienenen Halbdunkel glitzernd, rauschte der Wasserfall.
»Wir sind da!«, rief McCauley aus.
Alle drei beschleunigten ihre Schritte, hasteten durch den steinernen Wald – und plötzlich war der Weg zu Ende. Wie eine Wand schoss das Wasser, das eine Quelle im Fels zu speisen schien, vor ihnen herab, um sich in dunkler Tiefe zu verlieren. Was sich jenseits davon befand, ließ sich unmöglich feststellen, Gischt und weißer Nebel versperrten die Sicht.
»Was jetzt?«, schrie Scrymgour gegen das Tosen an. »Wo ist das Gold?«
»Auf der anderen Seite«, mutmaßte McCauley.
»Und wenn nicht? Was, wenn da nur ein tiefer Abgrund ist?«
»Einer von uns wird es als Erster wissen.«
»Einer von uns?« Scrymgour schüttelte den Kopf. »Ich werde es ganz sicher nicht sein, der sich …«
Weiter kam er nicht.
In einem jähen Entschluss packte McCauley ihn an den Schultern und stieß ihn mit aller Kraft von der Felskante, an der sie standen, geradewegs in den tosenden Wasserfall.
Diarmid of Scrymgour kam noch dazu, einen heiseren Schrei auszustoßen, dann war er in Nebel und Gischt verschwunden.
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21
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»Runenbrüder!«, rief Sir Walter, entsetzt und entrüstet zugleich. »Sie also stecken dahinter?«
»Wer hätte das gedacht?«, fragte einer aus der schwarz gewandeten Meute, offenbar der Anführer, dessen Maske einem Fuchs nachempfunden war. »Der berühmte Walter Scott!«
»Sparen Sie sich Ihren Sarkasmus!«, wies Sir Walter ihn zurecht, der sich weder vom überraschenden Auftauchen der Vermummten noch von ihrer unheimlichen Erscheinung einschüchtern ließ. »Was haben Sie hier zu suchen? Ich dachte, die Geschichte hätte Sie längst vergessen?«
»Dasselbe dachte ich auch von Ihnen«, gab der Maskierte zu. »Für einen Toten scheinen Sie sich erstaunlicher Gesundheit zu erfreuen.«
»Sie sind es gewesen, nicht wahr?«, schnaubte Sir Walter. »Sie und Ihre elende Sektiererbrut haben versucht, mich umzubringen!«
»Ich bedaure«, entgegnete der Wortführer, »damit hatten wir nichts zu tun. Im Gegenteil, wir waren fast enttäuscht, als wir von Ihrem Ableben erfuhren, denn damit war uns jede Chance genommen, uns an dem Mann zu rächen, der unsere Organisation um ein Haar vernichtet
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