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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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denn?«, fuhr Ginesepina sie einmal mehr an, während sie den Teig knetete. »Geht dir schon die Kraft aus, du mageres Ding? Ist ja auch kein Wunder, so wenig, wie du auf den Rippen hast.«
    »Es geht mir gut«, versicherte Serena. »Und Kraft habe ich auch genug.«
    »Ja?« Im runden Gesicht der Köchin zuckte es angriffslustig. »Dann frage ich mich, warum du immer wieder mit Kneten aufhörst. Der Teig ist noch lange nicht fertig, falls du das denkst. Erst wenn er Blasen schlägt!«
    »Ich weiß«, versicherte Serena und rollte mit den Augen. Ihre anfängliche Unterwürfigkeit hatte sie abgelegt. Inzwischen wusste sie, dass die einzige Quelle von Ginesepinas fortwährender Stichelei blanker Neid war: Neid auf ihre Jugend, Neid auf ihr glänzend schwarzes Haar und darauf, dass die Rundungen des Körpers bei ihr noch an den richtigen Stellen saßen statt sich in Richtung Erdboden davonzumachen. Dass sich der Stallbursche für Serena interessierte, wäre der Köchin vermutlich noch egal gewesen, aber dass sich ausgerechnet der Kutscher, auf den sie selbst ein Auge geworfen zu haben schien, den Hals nach Serena verdrehte, schien doch sehr an ihr zu nagen (ohne dass an ihrer Leibesfülle etwas davon zu bemerken gewesen wäre).
    Serena hatte nicht vor, ihre Gunst einem der beiden Herren zu schenken; wäre es ihr darum gegangen, hätte sie auch zu Hause in Pistoia bleiben können. Aber sie war erleichtert darüber, dass dies die Quelle von Ginesepinas offenkundiger Abneigung war. Tatsächlich war die dicke Köchin wohl froh darüber, eine brauchbare Hilfe zur Seite zu haben, nachdem Serenas Vorgängerin offenbar ganz plötzlich ihres Amtes verwiesen worden war. Den Grund dafür kannte Serena nicht; es war eines der vielen Geheimnisse, die sich um den Palazzo des Herzogs rankten, und die ihr neuerdings einige Sorge bereiteten.
    »Haben Sie es auch gehört?«, fragte sie unvermittelt, nachdem sie den Teig eine Weile lang weiter bearbeitet hatte.
    »Was soll ich gehört haben?«
    »Auf dem Markt machen Gerüchte die Runde.«
    »Auf dem Markt machen immer Gerüchte die Runde«, verbesserte die Köchin gleichgültig, die damit beschäftigt war, dünne Filetstücke aus einem unförmigen Brocken roten Fleisches zu schneiden. »Deshalb ist es ein Markt.«
    »Einer der Händler kam gerade aus Frankreich. Er sagte, dass es dort bald Krieg geben könnte.«
    Über den Fleischberg hinweg sah Ginesepina sie verständnislos an. Ihre vor Anstrengung geröteten Züge unterschieden sich farblich kaum vom Fleisch des Ochsen. »Und warum interessiert dich das, du mageres Etwas?«
    Serena schüttelte den Kopf, nicht der Beleidigung wegen, die sie längst nicht mehr bewusst wahrnahm, sondern weil ihr unbegreiflich war, wie sich jemand nicht für diese Dinge interessieren konnte. »Es heißt, dass es im Volke gärt. Einige sprechen von Revolution und davon, den König zu stürzen.«
    »Ha!« Die Köchin lachte laut und spöttisch auf. »Diese Narren!«
    »Warum sagen Sie das? Sind Sie nicht dafür, dass ein Volk über sich selbst bestimmen darf? Don Alfredo hat mir erzählt, dass die Menschen in Amerika in Freiheit leben, ohne einen König oder einen Fürsten.«
    »Ach ja?« Ginesepina verengte kritisch die Augen. »Und wer führt sie dann an? Wer hat dort das Sagen?«
    »Leute aus ihren eigenen Reihen, die sie selbst gewählt haben. Das nennt man Demokratie, hat Don Alfredo gesagt.«
    »Dann hat er dir einen schönen Bären aufgebunden, dein Don Alfredo«, meinte die Köchin überzeugt, und wie um ihre Worte zu unterstreichen, ließ sie das Fleischerbeil wuchtig niedergehen. »Ein Land, wo die kleinen Leute etwas zu sagen haben? Das ist doch Unfug! Man muss das Herrschen denen überlassen, die etwas davon verstehen. Wir tun ja schließlich auch nur das, wovon wir etwas verstehen.« Sie schob sich ein kleines Stück rohes Ochsenfleisch zwischen die löchrigen Zähne und kaute es, um es zu prüfen. »Gut«, stellte sie fest. »Sehr zart.«
    »Aber – wären Sie nicht lieber frei, als ein Untertan?«, fragte Serena leise.
    »Ich bin frei«, versicherte die Köchin, während sie sich die blutigen Hände an der Schürze abwischte, »frei wie ein Vogel. Und jetzt hör auf, über solchen Unsinn nachzudenken. Wenn dein Hirn genauso verkümmert ist wie der Rest von dir, kann ohnehin nichts Vernünftiges dabei herauskommen.« Sie lachte, amüsiert über ihren eigenen Scherz, und Serena ertappte sich dabei, dass sie nun doch wütend wurde.
    Angewidert

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