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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Umarmung frei.
    Sie sank auf das Kissen, blickte tränenverschwommen zu ihm auf. Sie konnte die Enttäuschung in seinen schlichten und doch so milden Zügen sehen, den Schmerz über die Zurückweisung, und sie hasste sich selbst dafür.
    »Es tut mir leid«, versicherte sie flüsternd. »Es tut mir leid, mein Geliebter …«
    Eine Zornesfalte bildete sich auf seiner Stirn. Er holte Luft und schien etwas erwidern zu wollen – als außerhalb der Kabine ein greller Schrei zu hören war, gefolgt von lauten Rufen und hektischem Getrampel auf Deck.
    »Was ist da los?« Quentin sprang auf und lauschte.
    Wieder war Getrampel zu hören, auch auf den Stiegen, die unter Deck führten. Eine heisere Stimme brüllte Befehle, die jedoch nicht zu verstehen waren.
    »Ich werde gehen und nachsehen«, kündigte Quentin an, während er bereits dabei war, in seine Hosen zu schlüpfen.
    »Nein«, widersprach Mary, die plötzlich an ihre Träume denken musste. »Geh nicht!«
    »Ich muss«, beharrte Quentin. »Möglicherweise braucht man dort oben meine Hilfe. Und wenn nicht, möchte ich zumindest wissen, woran wir sind.«
    »Geh nicht«, bat Mary ihn noch einmal. Sie hatte sich aufgesetzt und ergriff seine Hand. »Dort oben lauert etwas, ich kann es fühlen. Etwas Böses …«
    »Unsinn.« Er riss sich von ihr los, schlüpfte in Stiefel und Jacke. »Das bildest du dir nur ein, Schatz. Du hast wieder einmal schlecht geträumt, das ist alles.«
    »Aber …«
    »Verriegle die Kabinentür hinter mir«, wies er sie an. »Ich bin gleich wieder zurück.«
    Damit wandte er sich ab und öffnete die niedrige Tür.
    »Quentin?«, rief Mary ihn noch einmal zurück. Sie wollte nicht, dass er sie verließ. Vor allem aber wollte sie nicht, dass er sie so verließ …
    »Ich weiß.« Er nickte und lächelte schwach. »Schon gut.«
    Damit trat er hinaus und schloss die Kabinentür hinter sich, und Mary huschte rasch aus dem Bett, um sie zu verriegeln. Da sie die einzige Frau an Bord war, waren derlei Vorsichtsmaßnahmen mehr als angebracht.
    In dem Augenblick, als sie den Riegel vorschob, überkam Mary Hay neuerliche Furcht.
    Die schreckliche Angst davor, ihren Mann zu verlieren.
    Der Tumult auf Deck dauerte an.
    Quentin hatte keine Ahnung, was dort oben vor sich ging. Was immer es jedoch war, er bezweifelte ernstlich, dass er dabei gebraucht wurde. Die traurige Wahrheit war, dass er dankbar für den Vorwand gewesen war, die Kabine zu verlassen. Von Mary zurückgewiesen zu werden, weil sie es offenbar nicht mehr ertrug, wenn er ihr körperlich nahe kam, war eine Sache; ihr danach noch in die Augen sehen zu müssen, war ungleich schlimmer. Quentin erinnerte sich an Dr. Dunbars Worte und seine Ermahnung, geduldig zu sein. Und er war gewiss nicht stolz darauf, aber er ertappte sich dabei, dass seine Geduld allmählich zu Ende ging.
    Ein schmaler Gang verlief zwischen den beiden Passagierkabinen. Die Fairy Fay war eigentlich ein Frachtschiff, das Handelsgüter zwischen Europa und den Vereinigten Staaten transportierte. Aber je enger die Geschäftsbeziehungen zwischen der Neuen und der Alten Welt wurden, desto häufiger wurde es erforderlich, dass auch Passagiere befördert wurden, und so waren viele Reedereien dazu übergegangen, auf ihren Schiffen auch Kabinen einzurichten. Diese waren zwar dürftig ausgestattet, aber doch sehr viel komfortabler als das, was Reisende noch vor zwei Jahrzehnten hatten erdulden müssen.
    Quentin folgte den Lauten, die noch immer von oben drangen. Über eine schmale Treppe enterte er zum Oberdeck auf und gelangte mitten hinein in ein Menschenknäuel, das sich auf dem Vordeck gebildet hatte, sehr zum Missfallen von Kapitän McCabe.
    »Los doch, Leute!«, hörte Quentin den alten Fahrensmann rufen, der von gedrungener Postur war und in dessen Gesicht ein wilder Bart wucherte, der wenig mehr als eine Knollennase und ein blitzendes Augenpaar erkennen ließ. »Geht auseinander!«, wetterte er. »Zurück in eure Kojen! Hier gibt es nichts zu sehen, habt ihr verstanden?«
    Die meisten der Matrosen, die sich auf dem Vordeck drängten, waren wohl anderer Ansicht, denn sie machten kaum Anstalten, dem Befehl ihres Kapitäns Folge zu leisten. Aufgeregt drängten sie sich um etwas, das sich in ihrer Mitte befand. Quentin schnappte Gesprächsfetzen auf. Von pechschwarzem Haar war die Rede und von einem schlechten Omen, ohne dass er sich einen Reim darauf machen konnte. Erst als McCabe erneut seine Stimme erhob, diesmal entschieden

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