Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
Geldnoten mehr ausgeben dürfen«, erklärte Walter atemlos. »Damit kommt der Zahlungsverkehr zum Erliegen. Kredite können nicht mehr bezahlt und folglich auch nicht mehr gewährt werden, und wenn das geschieht, wird alles hier zusammenbrechen!«
»Aber wieso tut die Regierung das?«, wollte Mary wissen.
»Vordergründig geht es darum, den Bankrott der Banken zu verhindern«, erklärte Walter weiter. »Unterm Strich jedoch tun die Engländer damit genau das, was sie schon immer wollten – sie unterwerfen sich Schottland ein weiteres Mal und nehmen uns unsere Eigenständigkeit. Was ihre Armeen nie geschafft haben, wollen sie jetzt mit Geld bewirken.«
Quentin und Mary tauschten einen Blick.
Walter war ein braver schottischer Patriot, von seinem Vater dazu erzogen, stolz auf sein keltisches Erbe und die Vergangenheit seines Landes zu sein. Zwangsläufig sah er die Ereignisse aus seiner ganz eigenen Perspektive.
Eines jedoch war auch Quentin sofort klar: Wenn die Regierung in London ihre Pläne Wirklichkeit werden ließ, würde dies das Ende Schottlands bedeuten, wie sie es kannten.
Und wie sein Onkel, der große Walter Scott, es geliebt hatte.
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13
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High Street, Edinburgh
Zur selben Zeit
Die High Street, die ehrwürdige Hauptstraße Edinburghs, die vom Canongate im Osten an den City Chambers und dem alten Richtplatz vorbei zur stolzen Burg hoch oben auf dem Felsen über der Stadt hinaufführte, war in Aufruhr.
Allenthalben waren Menschen auf der Straße. Statt ihren Tagesgeschäften nachzugehen, unterhielten sie sich aufgeregt miteinander, und überall an den Straßenecken standen Jungen, die Flugblätter verteilten, deren Inhalt sie lautstark anpriesen.
»Ein offener Brief! Lesen Sie, Gentlemen, und ergreifen Sie Partei! Ein offener Brief an das Edinburgh Weekly Journal !«
»Was geht da vor?« Aus dem Inneren der Droschke, die die High Street hinab zum Canongate fuhr, spähte Winston McCauley nach draußen.
»Vermutlich die Krise«, erwiderte Milton Chamberlain, der im dunklen Fond der Kutsche saß, den Kragen seines Rocks hochgeschlagen, um unerkannt zu bleiben. Seine Hände ruhten auf dem Pferdeknauf seines Stocks. »Die Straßen sind dieser Tage voller aufgebrachter Menschen, die sich beklagen, dass sie keine Arbeit, aber jede Menge hungrige Mäuler zu stopfen hätten. Als ob sie jemand geheißen hätte, so viele Bälger in die Welt zu setzen!«
»Sie verteilen Flugblätter«, stellte McCauley fest, und im nächsten Moment winkte er auch schon einen der Jungen heran. »Heda, Bursche! Ein Blatt für mich!«
Der Junge rannte neben der Kutsche her, das Blatt Papier hochhaltend. McCauleys behandschuhte Rechte schnappte danach und holte es in die Kutsche. Flüchtig überflog er die Zeilen.
»Nun? Was habe ich Ihnen gesagt?«, fragte Chamberlain sichtlich gelangweilt. »Immer dasselbe ermüdende Lamento.«
»Nein«, widersprach McCauley, »das hier ist anders. Es ist ein offener Brief an den Herausgeber des Edinburgh Weekly Journal , den ein gewisser Malachi Malagrowther verfasst hat.«
»Nie gehört«, meinte Chamberlain.
»Ich auch nicht. Aber er analysiert sehr scharfsinnig die Bankensituation des Empire und sagt, dass die schottischen Banken für die Misserfolge ihrer englischen Schwesterunternehmen bezahlen sollen – und kommt zu dem Schluss, dass die geplanten Währungsänderungen Schottland nicht nur großen Schaden zufügen, sondern auch dem Unionsvertrag von 1707 widersprechen.«
»Lächerlich!«, schnaubte Chamberlain.
»Finden Sie? Der Brief eines hungernden Arbeiters ist das jedenfalls nicht.«
»Dennoch – alles, was diese vermaledeiten Schotten können, ist sich beklagen. Ihre ganze Geschichte hindurch haben sie nichts anderes getan.«
»Und England damit manches Kopfzerbrechen bereitet«, konterte McCauley grinsend.
»Was denn?« Chamberlain hob spöttisch die Brauen. »Höre ich da etwa einen Hauch von Patriotismus?«
»Patriotismus, Mr. Chamberlain, ist etwas für Leute mit Idealen«, konterte McCauley gelassen, während er das Papier in seinen Händen kurzerhand zerknüllte. »Ich bin lediglich daran interessiert, Geschäfte zu machen. Und zwar mit denjenigen, die mir den größtmöglichen Gewinn versprechen. Und was das betrifft, so frage ich mich allmählich, ob Sie unsere Abmachung noch richtig in Erinnerung haben, Mr. Chamberlain.«
»Durchaus«, versicherte der Anwalt. »Die Tatsache, dass ich einen Boten nach Dirleton geschickt habe, um mich erneut mit
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