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Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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falsch vor. Es schien das Richtige zu sein, so, wie es richtig war zu atmen, zu essen und zu trinken.
    Brighid beugte sich ein Stück vor. Mary konnte ihre Haut riechen und den Duft ihres Haars. Sie schloss die Augen, nahm die Gerüche in sich auf … dann kam die Berührung.
    Zaghaft begegneten ihre Lippen einander, und noch immer hatte Mary nicht das Gefühl, etwas Falsches zu tun. Sie verspürte ein Verlangen, das sie, so schien es, seit einer Ewigkeit nicht mehr überkommen hatte, wusste nicht, ob sie darüber Glück oder Entsetzen empfinden sollte, war wie verzaubert von der Wucht des Augenblicks. Ihr Pulsschlag beschleunigte sich, ihr Atem wurde heftiger. Die Berührung ihrer Lippen intensivierte sich, und ihre Zungen berührten einander, zaghaft und zärtlich und voller Unschuld. Sie spürte, wie Brighids Hand an ihrer Hüfte heraufwanderte, das Korsett befühlte und schließlich ihre Brüste. Dann löste sie den Pelerinenkragen des Kleides und zog den Ärmel von Marys Bluse herab. Nackte weiße Haut kam darunter zum Vorschein, zunächst ihre Schulter, dann die Ansätze ihrer Brüste, die bebend danach verlangten, aus der Enge des Korsetts befreit zu werden …
    Und Mary erschrak.
    Sie fuhr zusammen wie jemand, der bei einem Verbrechen ertappt worden war, entsetzt über ihre eigene Begehrlichkeit, über das, was zu tun sie im Begriff war – und über das, was sie bereits getan hatte.
    »Nein, bitte«, entfuhr es ihr, während sie zurückwich und den zärtlichen Händen der Freundin zu entgehen suchte.
    »Was hast du?« Unverständnis sprach aus Brighids blauen Augen. »Habe ich dir wehgetan?«
    »N-nein«, stammelte Mary, gleichermaßen erregt wie beschämt über das Chaos an Gefühlen, das in ihr tobte, während sie mit bebenden Händen Ärmel und Kragen wieder heraufzog und ihr derangiertes Äußeres wiederherzustellen suchte. »Verzeih, ich …«
    »Nein, ich muss mich entschuldigen«, versicherte Brighid. Beschwichtigend hob sie die Hände, die eben noch den Busen ihrer Freundin liebkost hatten. »Ich dachte, du wolltest es auch.«
    »Das ist das Problem«, versicherte Mary, noch immer keuchend. Der Versuch, ihr Haar zu ordnen, scheiterte, also zog sie kurzerhand die Nadel heraus und steckte die Frisur von Neuem hoch. »Ich wollte es tatsächlich. Aber es darf nicht sein. Niemals, hörst du?«
    »I-ich wollte dich nicht verärgern«, versicherte Brighid. »Ich dachte nur, dass …«
    Ein tiefes Seufzen entrang sich Marys Kehle. Sie schloss die Augen, wartete, bis Pulsschlag und Atmung sich wieder ein wenig beruhigt hatten, wobei sie sich unablässig eine Närrin schalt.
    »Das hast du nicht«, versicherte sie dann und sah ihre Freundin offen an. »Ich bin eine erwachsene Frau, ich muss wissen, was gut für mich ist und was nicht. Und das hier ist es nicht.«
    »Bist du sicher?«, hakte Brighid nach. »Wir wollten frei sein, weißt du noch?«
    »Aber nicht auf diese Weise, und nicht auf Kosten der Menschen, die wir lieben. Ich habe einen Ehemann …«
    »… der auch eine Ehefrau hat«, konterte Brighid. »Und dennoch sucht er sein Vergnügen lieber an anderen Orten.«
    »Niemals«, wehrte Mary ab. »Nicht Quentin.«
    »Und das weißt du bestimmt? Wann hat er dir das letzte Mal beigewohnt? Wann zuletzt das Lager mit dir geteilt?«
    »Das ist eine Weile her«, gab Mary zu, sich selbst darüber wundernd, wie offen sie über derlei Dinge sprach. »Aber das hat Gründe.«
    »Davon bin ich überzeugt.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Dass die Frau, die ich eben erlebt habe, voll von ungestilltem Verlangen war«, erwiderte Brighid, »mit jeder Faser ihrer eingeengten Existenz dürstend nach Zärtlichkeit und Liebe. Oder willst du behaupten, es hätte dir nicht gefallen?«
    »Es … hat mir gefallen«, gab Mary zögernd zu. »Aber das bedeutet nicht, dass …«
    »Dass du deinem Verlangen nachgibst?« Brighid lachte freudlos auf. »Ich fürchte, du bist noch viel verlorener als ich. Denn lieber habe ich keine Vergangenheit als eine, die aus Täuschung und Lüge besteht.«
    »Wie kannst du so etwas sagen?«, ereiferte sich Mary.
    »Weil es die Wahrheit ist. In dir steckt so viel mehr, wenn du das doch nur einsehen würdest! Wir könnten ein Leben in Freiheit führen, ohne Zwänge und Notwendigkeiten!«
    »Aber das … will ich nicht«, wandte Mary ein.
    »Was willst du dann? Mir erzählen, dass du glücklich damit wärst, die Frau eines Schafskopfs zu sein?«
    »Du hast kein Recht, so über ihn zu

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