Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
Ihnen zu treffen, sollte Ihnen Beweis genug dafür sein.«
»Sie gehen kein Risiko ein«, meinte McCauley. »Die Leute da draußen sind mit anderen Dingen beschäftigt als damit, Ihnen nachzuspionieren.«
»Man kann nie wissen«, verteidigte sich der andere pikiert.
»Also? Wann werde ich Abbotsford nun bekommen? Die Testamentseröffnung müsste inzwischen doch stattgefunden haben?«
»Das hat sie. Aber Scotts Neffe will zuerst Einsicht in die Bücher nehmen, ehe er Verkaufsentscheidungen trifft. Daran kann ich ihn nicht hindern.«
»Sie können ihn nicht daran hindern?«, platzte McCauley heraus. »Verdammt, Chamberlain, ich dachte, Sie wären ein harter Hund! Kündigen Sie die Kredite Ihrer Mandanten! Verlangen Sie das Geld zurück, dann bleibt diesem Dickschädel von Hay nichts anderes übrig, als zu verkaufen.«
»Wenn wir das tun«, konterte Chamberlain, »wird die Sache vor Gericht enden. Und dann, mein Freund, mahlen erst einmal die Mühlen des Gesetzes, ehe Sie Abbotsford bekommen. Wollen Sie es wirklich darauf ankommen lassen?«
McCauley atmete stoßweise. Er fühlte die Wut in sich emporsteigen und hätte seinem säumigen Geschäftspartner am liebsten gegeben, was er verdiente … aber er beherrschte sich. Sie hatten so lange gewartet, so viele Jahre. Auf ein paar zusätzliche Wochen kam es nicht an.
Nicht mehr …
»Nein«, gestand er, »das will ich nicht. Aber ich brauche Abbotsford, verstehen Sie? Das Haus, den Landsitz, alles, was dazugehört.«
»Und Sie werden es bekommen«, versicherte Chamberlain einmal mehr. »Hay ist kein Dummkopf. Wenn Sie die Dinge überstürzen, laufen Sie nur Gefahr, dass er von der Verbindung zwischen uns erfährt, und dann …«
»Ich weiß sehr wohl, was dann geschieht, Mr. Chamberlain«, versicherte McCauley, »und ich bin weit davon entfernt, die Dinge zu überstürzen. Aber ich will Abbotsford, haben Sie verstanden?«
»Durchaus.« Chamberlain nickte, seinem bohrenden Blick hielt er stand. »Sie sind der Jäger, der sein Opfer bereits sicher in der Falle weiß. Alles, was Sie zu tun brauchen, ist, den geeigneten Zeitpunkt abzuwarten. Der Verkauf von Abbotsford ist unerlässlich, früher oder später wird Hay das einsehen. Und das«, fügte er hinzu und deutete auf das lärmende Chaos, das außerhalb der Kutsche herrschte, »wird diese Entwicklung nur beschleunigen. Denn je mehr diese Schotten lamentieren und je lauter sie sich beschweren, desto härter wird Englands Zugriff sein.«
»Wer sagt das?«, fragte McCauley.
»Die Geschichte, mein Freund«, entgegnete der Anwalt lächelnd. »Die Geschichte.«
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14
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Südlich von Airdrie
Abend des 1. März 1826
Quentin hatte das Gefühl, ein sinkendes Schiff zu verlassen.
Nicht nur Marys wegen, deren plötzlichen Gesinnungswandel Brighid betreffend er nach wie vor nicht ganz verstand, was ihn zutiefst beunruhigte; sondern auch wegen der Unruhen, die es in Edinburgh aufgrund der fragwürdigen Pläne der Regierung gegeben hatte. Ganz zu schweigen von den zahlreichen Unterlagen, in die er noch Einsicht zu nehmen hatte, um sich ein vollständiges Bild von der finanziellen Lage der Familie Scott zu machen.
Immerhin hatte er sich einige der in Leder geschlagenen und mit zahllosen eng beschriebenen Seiten gefüllten Bücher mitgenommen, um sie während der Fahrt nach Paisley zu sichten. Er versuchte auch redlich, sich immer wieder in die Materie einzufinden, doch die Tatsache, dass Brighid ihm in der Kutsche gegenübersaß und ihn unablässig musterte, wirkte sich auf seine Konzentrationsfähigkeit nicht eben förderlich aus.
Er wusste nicht, was in ihr vor sich ging, und obwohl es ihm wohl gleichgültig hätte sein müssen, fragte er sich, ob sie wütend auf ihn war. Immerhin war er es gewesen, der für ihre Einreise ins Königreich gebürgt hatte. Und nun war er dabei, sie in ein Frauenkloster abzuschieben, ein ungebetener Gast, den man auf die Schnelle loswerden wollte.
Abgesehen vom Nötigsten hatten sie kaum ein Wort gewechselt. Mary hatte es persönlich übernommen, Brighid über ihre bevorstehende Abreise nach Paisley zu informieren, und da es kaum Habe gab, die sie einzupacken hatte, waren sie schon kurz darauf aufgebrochen. Natürlich hätte Quentin die Aufgabe, die geheimnisvolle Frau nach Paisley zu bringen, auch delegieren, sie einem Bediensteten übertragen können. Aber zum einen hatte er es Mary versprochen, und zum anderen hatte er das Gefühl, Brighid zumindest das schuldig zu sein.
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