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Das Vermächtnis der Schwerter

Titel: Das Vermächtnis der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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die Diener des Sonnengottes erheben. Schließlich unterstellten sie sich ohne Widerstand dem Citarim, der daraufhin die Menschen durch eine Rede, die er auf dem Balkon Eurer Residenz hielt, von weitergehenden Gewaltausbrüchen abbrachte. Er erklärte Euch für abgesetzt und rief unter dem Jubel der Menge Arden Erenor zum neuen König Citheons und Beherrscher der Ostlande aus.«
    Ein wenig mitleidig musterte Shyrali den ehemaligen Regenten, der vor ihren Augen in sich zusammenzufallen schien, als wäre er schlagartig um ein Jahrzehnt gealtert. Jede Spur von dem starken, selbstbewussten Mann, der ihr gerade noch mit einem Griff beinahe die Schulter gebrochen hätte, war verschwunden.
    »Deshalb ist es im Moment keine gute Idee, nach Tilet zurückzukehren«, fügte Shyrali behutsam hinzu, »denn wie Ihr Euch vorstellen könnt, warten sie dort nur darauf, Euch zu verhaften. Abak hat mich hierhergeschickt, um Euch abzupassen und zu einem Schiff zu bringen, das verborgen an der Küste östlich der Seeblockade liegt, die Megas bei der Meerenge von Tilet durch seine Schiffe errichten ließ. Von da aus sollten wir ohne Schwierigkeiten bis zu Eurer Heimatinsel kommen. Euer Ratgeber hat dafür Sorge getragen, dass in Tar’Tianoch alles friedlich bleibt, sodass Ihr unbesorgt heimkehren könnt. Dort haben sich auch die Reste Eurer Flotte, knapp dreißig Schiffe, versammelt. Ich hoffe, das ist ein kleiner Trost.«
    Jorig Techel furchte zunächst erbost die Stirn, da er es als wenig angemessen ansah, wenn ein Herrscher von einer Untergebenen bemitleidet wurde. Doch Shyralis erschütternde Neuigkeiten hatten ihm seinen Kampfgeist geraubt. Es war kaum zu fassen, in welcher Eintracht sich all seine Feinde plötzlich gegen ihn gestellt hatten. Auf einmal machte der Citarim gemeinsame Sache mit Megas Arud’Adakin, obwohl dieser doch in den Augen der Kirche ein Ungläubiger war, und beide spielten Arden Erenor in die Hände, welcher bis vor Kurzem noch auf gänzlich verlorenem Posten gestanden hatte. Ein einziger Fehler war ausreichend gewesen, um alles, was Jorig Techel über die vielen Jahre seiner Regentschaft aufgebaut hatte, wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen zu lassen. Das Leben war einfach nicht gerecht, dachte er kraftlos.
    Dann schüttelte er angewidert sein ergrautes Haupt. Was half all dieses Selbstmitleid? Immerhin war er dank Abak der öffentlichen Demütigung einer Gefangennahme in Tilet entgangen. Stattdessen würde er das erste Mal nach vielen Jahren wieder die Gelegenheit bekommen, in seine Heimat Tar’Tianoch zurückzukehren, wo er nach wie vor das hohe Amt des Inselherrn innehatte. Das würde er sich nicht auch noch nehmen lassen. Sollte Megas doch kommen mit seiner gesamten Flotte. An den schroffen Küsten von Tar´Tianoch hatten sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen und die Hauptstadt war noch niemals erobert worden. Und das sollte sich auch in Zukunft nicht ändern.
    Jorig Techel schwang sich entschlossen auf sein Pferd. Eigentlich hatte er sich an all die diplomatische Hinterlist, die Intrigen und Machtspielchen, die ein König von Citheon beherrschen musste, ohnehin nie wirklich gewöhnen können. Vielleicht war es sogar befreiend, all dies hinter sich lassen zu können. Die Schmach über seine Niederlage bei Königswacht und all ihre verheerenden Folgen würde er mit Sicherheit niemals vergessen, aber dies war nicht das Ende. Es gab weiterhin eine Aufgabe für ihn und dieser wollte er sich jetzt stellen.
    »Dann führe uns zu diesem Schiff, Shyrali«, befahl der Inselherr mit fester Stimme. »Ich brenne darauf, von Abak Einzelheiten über die vergangenen Ereignisse zu erfahren, und ich schulde ihm vor allem Dank.«

    Das Erste, was Tarana sah, als sie die Augen aufschlug, waren zwei leuchtend blaue Augen in einem kleinen Gesicht voller besorgter Ernsthaftigkeit. Thalia saß direkt neben Tarana auf dem Bett, in dem die Istanoit eben erwacht war. Das Mädchen berührte flüchtig Taranas Wange, dann ließ es sich von der Matratze gleiten und trat vor den Stuhl, auf dem Daia mit angewinkelten Knien schlief. Thalia zupfte so lange an Daias Ärmel, bis sich diese endlich regte. Daias Blick fiel zunächst verständnislos auf das kleine Mädchen zu ihren Füßen, doch als Thalia ihren Kopf langsam in Richtung Bett drehte, begriff sie endlich, was das schweigsame Kind ihr zu sagen versuchte. Sie sprang auf.
    »Tarana!«, rief sie mit Tränen in den Augen. »Ich habe so lange auf diesen Moment gewartet.

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