Das Vermächtnis der Schwerter
erkundigte sie sich besorgt. »Er war schon lange nicht mehr zu Hause und dabei sollte er sich doch ausruhen. Seine kaputten Beine müssen gepflegt werden und bestimmt schmerzen seine Narben wieder.«
Megas zuckte die Achseln. »Auf mich hat er einen gesunden Eindruck gemacht«, er räusperte sich, »soweit man das bei seinem Zustand sagen kann.«
Ferim bekam einen verklärten Gesichtsausdruck. »Kann man sich einen aufrechteren Menschen vorstellen? Um meinen Geliebten zu schützen, hat er bereits die Folter ertragen und selbst jetzt erfüllt er noch seine Pflicht. Ich danke den Göttern, dass sie mir solch einen edelmütigen Vater beschert haben.«
»Ja, er ist wahrlich ein tapferer Mann«, bestätigte Megas. »Für die Seinen ist ihm kein Opfer zu hoch.« Er entblößte seine Zähne zu einem selbstgefälligen Grinsen. »Ich werde jetzt gehen. Aber ich komme bald zurück und dann werden wir unser Wiedersehen ein wenig ausführlicher feiern, als es hier auf der Straße möglich war.« Er hob vielsagend die Augenbrauen, worauf die junge Tabuk tief errötete.
Dann riss der Prinz sein Pferd herum und hieb ihm die Absätze in die Flanken. Der kleine Reitertrupp jagte die Straße hinunter und bog wieder in die große Allee ein, die sie zum Palast bringen würde. Die hohen Palmen zu beiden Seiten der Straße flogen an Megas vorbei, als er in vollem Galopp durch seine Stadt preschte. Nach kurzem Ritt erreichte er die Anhöhe, wo weitläufige Wassergärten den Herrschersitz der Familie Arud’Adakin umgaben. Über zwei steinerne Brücken, die in einem verspielten Bogen einen Bachlauf überspannten, kam er auf den mit weißem Sand bedeckten Vorplatz des Palastes, ohne dass er ein einziges Tor oder einen Wachposten passieren musste. Lechia galt von der Seeseite aus wegen seiner langen, mit tückischen Untiefen gespickten Hafeneinfahrt als uneinnehmbar. Denn selbst wenn ein ortskundiger Kapitän eine feindliche Flotte in Richtung Hafen führen sollte, so konnte mittels einiger schwerer Katapulte jedes Schiff bei der Passage des schmalen Kanals in aller Ruhe versenkt werden. Mit einem einzigen Schiffswrack war der Zugang zum Hafen bereits blockiert, weshalb ein Angriff vom Meer her als vollkommen aussichtslos galt. Aber auch von der Landseite aus hatte die Hauptstadt Ho’Nebs wenig zu befürchten. Kilometerlange Steilküsten verhinderten vielerorts das Anlanden feindlicher Truppen und das ebenso unwegsame wie trockene Inselinnere machte jeden Vormarsch eines Heeres zu einer Tortur. Zudem gab es noch eine Reihe strategisch geschickt platzierter Wehrburgen, von denen aus alle gangbaren Pfade beherrscht wurden. Dieser umfassende Schutz verlieh dem Inselherrn von Ho’Neb die Freiheit, auf Mauem oder Gitterzäune rund um sein Heim verzichten zu können.
Megas ließ sein Pferd einfach auf dem Vorplatz zurück und ging entschlossenen Schrittes auf das Eingangsportal des schneckenförmigen Palastes zu. Erst dort waren zwei Wächter postiert, die allerdings bei seinem Erscheinen Haltung annahmen und ihm dann das Tor ins Innere öffneten. Dahinter begann ein breiter, mit Gemälden, Büsten, Perlmuttmosaiken, Teppichen und anderen Schaustücken überladener Gang, der in einer langen, stetig aufwärtsführenden Spirale durch das ganze Gebäude verlief. Aufgrund seiner schneckenhausartigen Bauweise konnten alle Räume des Palasts über diesen einen Gang erreicht werden. Er endete erst im obersten Stockwerk vor dem Eingang des Thronsaals.
Megas’ Augen hatten sich gerade erst an das Halbdunkel im Inneren gewöhnt, als auch schon eine Abordnung, bestehend aus zwei Leibdienern und dem Kanzler seines Vaters, auf ihn zugeeilt kam.
»Prinz Megas, willkommen zu Hause«, begrüßte ihn der Kanzler leicht außer Atem. »Ich hoffe, Ihr hattet eine gute Reise. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt, Euer Vater und Euer Bruder erwarten Euch bereits.«
»Mein Bruder?«, rief Megas überrascht aus. »Haben sich in meiner Abwesenheit mein Vater und mein Bruder etwa wieder versöhnt?«
»Es hat den Anschein«, erwiderte der Kanzler zurückhaltend, während er Megas zu einer schmalen Treppe führte, die eine Abkürzung zum Thronsaal darstellte. »Der Prinz Nagas Arud’Adakin traf erst vor einer Woche wieder in Lechia ein und seither hat er viel Zeit mit Eurem Vater verbracht.«
Megas schwieg bestürzt. Dies waren äußerst unerfreuliche Neuigkeiten, hatte doch sein um drei Jahre jüngerer Bruder bis vor Kurzem noch weit entfernt in einer Stadt am
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