Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Vermächtnis der Schwerter

Titel: Das Vermächtnis der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
Vom Netzwerk:
war. Zwar lag es nahe, dass dieser Unbekannte wie auch Rai durch den unterirdischen Tunnel aus dem Haus entkommen war, aber dennoch hatten Kawrins und Barats Erkundungen des Ganges nichts ergeben. Der Fluchttunnel führte zunächst von der Stadt weg in Richtung Felsen, wo er nach einem kurzen Stück auf eine schräg nach oben verlaufende Spalte traf. Diese mündete zwischen zwei scharfkantigen Basaltbrocken an der Oberfläche, von wo aus mit ein wenig mühseliger Kletterei die nahe gelegene Straße erreicht werden konnte. Dort waren jedoch keine weiteren Hinweise darauf zu finden, ob sich Rai mit seinem Begleiter wieder in Richtung Stadt gewandt hatte oder ob sie vielleicht gar auf dem Weg zur Schmiedesiedlung und dem Bergwerk waren. Da der Tag aber bereits seinem Ende zuging und Rai bislang noch nicht wieder aufgetaucht war, vermuteten Kawrin und Barat inzwischen, dass der Unbekannte Ferrag nicht niedergeschlagen hatte, um Rai zu befreien, sondern nur, um den jungen Tileter in seine Gewalt zu bekommen. Ihre lange Suche nach dem Geheimgang hatte dem Entführer genügend Zeit verschafft, seinen Gefangenen an jeden beliebigen Ort der Stadt oder weit ins Inselinnere zu bringen. Damit hatten sie das eigentliche Ziel ihres Angriffs auf Ferrags Bastion verfehlt. Der größte Teil der Minenarbeiter-Truppe war bereits mit den Gefangenen abgerückt, um sie im weitläufigen Kerker unterhalb des Tempels unterzubringen. Natürlich hätte man die Männer auch hier in Ferrags Haus festhalten können, aber Barat wollte, dass alle Bewohner der Stadt Zeugen wurden, was den Aufrührern widerfahren war. Ferrag hingegen lag immer noch bewusstlos auf einem Bett im ersten Stock, wo ihm Arton gerade notdürftig den Kopf verband. Der Einarmige musste unbedingt am Leben bleiben, wenn sie etwas über Rais Verbleib und die Ereignisse erfahren wollten, die zu Ferrags Kopfverletzung geführt hatten. Da Arton als Einziger grundlegende Kenntnisse in der Wundversorgung besaß, blieb diese Aufgabe ihm überlassen. Barat und Kawrin, die die Durchsuchung des Hauses inzwischen erfolglos abgebrochen hatten, saßen hingegen tatenlos daneben und sahen zu, wie Arton Ferrags Verband fertig stellte. Außer ihnen hielten sich im Haus nun nur noch zwei Wachposten am Eingang auf.
    »Wo könnten sie Rai denn hingebracht haben?«, fragte Kawrin unvermittelt und brach damit das nachdenkliche Schweigen, das bis dahin in dem kleinen Raum geherrscht hatte.
    Barat verzog ungehalten das Gesicht. »Du kannst genauso unsinnige Fragen stellen wie Rai. Wenn ich wüsste, wo sie ihn hingebracht haben, glaubst du, ich säße dann noch hier?« Um die Laune des Veteranen war es nicht zum Besten bestellt, denn er hasste Fehlschläge und er machte sich große Sorgen um seinen jungen Tileter Freund. Er hätte gerne durch die heutige Befreiung Rais einen kleinen Teil der Schuld beglichen, in der er stand, seit der junge Draufgänger ihm in der Mine gleich mehrfach das Leben gerettet hatte. »Wenn unser lieber Freund Ferrag hier«, Barat warf dem Einarmigen einen verächtlichen Blick zu, »einmal geruhen würde, wieder aufzuwachen, dann könnten wir vielleicht von ihm etwas in Erfahrung bringen. Aber so stehen wir da wie die Maus vor der Käseglocke.«
    Kawrin schwieg. Er konnte verstehen, dass Barat wütend war, denn ihm erging es nicht anders. Warum benutzte die Göttin Bajula ausgerechnet Rai dazu, ihn ein weiteres Mal zu prüfen? Hatte er nicht durch die Befreiung der Minensklaven schon ihren Willen zur Genüge erfüllt? Musste die Göttin denn gerade Rai in solch eine gefahrvolle Situation bringen, wo er doch derjenige gewesen war, der Kawrin den Willen Bajulas hatte begreifen lassen? Aber alles Klagen und Hadern half nichts. Er würde ihren Willen einfach akzeptieren und sich ihren Prüfungen stellen müssen.
    Sein Blick wanderte zu Arton hinüber, der nach der Vollendung von Ferrags Verband auf dem Bett sitzen geblieben war und versonnen an dem Knauf seines schwarzen Schwertes spielte. Kawrins Gesicht verfinsterte sich. Der einäugige Kämpfer jagte ihm jedes Mal kalte Schauer über den Rücken, wenn er in dessen vernarbtes Gesicht blickte. Sich selbst eingestehen zu müssen, dass er sich vor dem fast gleichaltrigen Arton fürchtete, versetzte Kawrin beinahe ebenso sehr in Wut wie der Gedanke an die lüde Behandlung durch diesen aufgeblasenen Schwertschwinger. Kawrin war sich wie ein kleiner Junge vorgekommen, den man in aller Öffentlichkeit bloßstellt, als Arton ihn vor

Weitere Kostenlose Bücher